Ein Bild wie von Warhol: die junge Frau mit schwarzer Stachelfrisur, schwarz umrandeten Augen, eine Zigarette zwischen den schwarz geschminkten Lippen, der Blick herausfordernd. So präsentierte sich Nina Hagen auf der Hülle ihres ersten Albums «Nina Hagen Band», das 1978 herauskam.
Nina Hagen, geboren 1955 in Ost-Berlin als Catharina Hagen, war 1977 die Ausreise aus der DDR erlaubt worden. Auch in West-Berlin fiel sie auf.
Damals habe es wenig gebraucht, um aufzufallen, erzählt Sängerin Vera Kaa: «Ich kam von einem Englandaufenthalt mit roten Haaren zurück. Das kam in Luzern einem Erdbeben gleich. Aber wie Nina Hagen in einer Fernseh-Talkshow die Beine spreizen und zeigen wollte, wie man masturbiert, das war ein starkes Stück.»
Starke Stücke waren auch auf Nina Hagens ersten Album enthalten, allen voran die kongeniale Adaptation eines britischen Punk-Songs, der hier «TV-Glotzer» hiess.
Hagens Texte waren provokativ, thematisieren Tabus: von der Abtreibung über lesbische Beziehungen bis zur Absage an den Liebhaber: «Ich bin nicht deine Fickmaschine, spritz-spritz, das ist’n Witz.»
Auch im Ausland ein Hit
Dazu kam der verblüffende Stimmumfang und die Wandelbarkeit Hagens. Mal keifte sei hexenhaft, dann klang sie bedrohlich punkig, kippte vom ironisierend Operatischen ins Jodeln – je nachdem, was der Text zu verlangen schien.
Das alles zeigte sich auch beim Stück «African Reggae» aus dem zweiten Album «Unbehagen» von 1979. Hier zog die Nina Hagen Band alle Register auf dermassen hohem Niveau, dass das Album auch im fremdsprachigen Ausland ein Hit wurde – etwa in Frankreich.
Dennoch war es der Anfang vom Ende: Die Musiker machten als «Spliff» mit grossem Erfolg weiter, Nina Hagen ihrerseits lancierte eine Solo-Karriere, die aber an den Erfolg ihrer ersten beiden Alben nicht anknüpfen konnte.
Hagen lebte in den USA und in Amsterdam: Das schnelle Leben, das sie in ihren Texten schilderte, schien immer mehr ihr eigenes zu sein. Sie umgab sich mit Leuten, die Probleme mit Drogen hatten.
Ein gefährliches Leben, wie Vera Kaa im Rückblick meint: «Sie stand vielleicht nicht selbst am Abgrund, aber viele der Menschen, mit denen sie eng liiert war, hatten heftige Drogenprobleme – etwa der niederländische Sänger Herman Brood.»
So kam es, wie es kommen musste: Das Interesse an der flamboyanten Sängerin liess nach, auch wenn sie immer noch mit bunten Auftritten für Aufsehen sorgte, etwa zur Esoterik, der Existenz von Ausserirdischen und UFOs.
Ihr letztes gesangliches Lebenszeichen ist zehn Jahre alt: Auf dem Album «Personal Jesus» singt sie ihre liebsten Gospel- und Blues-Titel – ein Zeichen für ihre neu gefundene Religiosität.