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Bait Jaffe Sephardische Lieder: rätselhaft, berührend, verdichtet

Mit «Sephardim» feiert die Schweizer Band Bait Jaffe 30-jähriges Jubiläum. Es sind sephardische, also judenspanische Lieder, neu interpretiert, berührend schön. Doch woher kommen sie genau – und warum wirken sie so stark?

«Hühnerhaut», «Tränen», «wunderschön», «poetisch» – das sind Stimmen von Konzertbesuchenden der Schweizer Klezmer-Band Bait Jaffe. Ihr aktuelles Programm besteht allerdings nicht aus Klezmer, der Musik osteuropäischer Juden, sondern aus sephardischen Liedern. Sie sind auf Ladino – auch Sephardisch genannt – dem «Judenspanisch».

Die Sepharden

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Sepharden, hebräisch Sfaradim, sind die Juden, die sich nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels in Spanien niederliessen. Sfarad heisst «Spanien» auf Hebräisch.

Über viele Jahrhunderte lebten sie in relativem Frieden auf der Iberischen Halbinsel. Doch mit der sogenannten Rückeroberung, der «Reconquista» der katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon, war es damit vorbei.

Taufe oder Tod, hiess es im sogenannten «Alhambra-Edikt», das die Könige am 31. März 1492 im südspanischen Granada unterzeichneten. Viele flohen daraufhin ins damalige Osmanische Reich, nach Nordafrika und wenige auch nach Nordeuropa. 2019 wurde die Zahl der Sepharden weltweit auf 3,5 Millionen geschätzt.

Die Lieder handeln von einer grossen Sehnsucht, «etwas haben zu wollen, das knapp ausserhalb der Reichweite ist», sagt Vanessa Paloma Elbaz. Die Musikwissenschaftlerin aus Cambridge erforscht seit 20 Jahren sephardische Lieder und singt diese auch selbst.

Auch David Schönhaus, Bassist und Mitgründer von Bait Jaffe, beschreibt die Lieder als «dramatisch, aber nicht hoffnungslos».

In einem Lied, «Yo menamori dun aire», heisst es etwa: «Ich verliebte mich in Luft. In das Bild einer Frau. (…) Ich verliebte mich des Nachts. Das Mondlicht betrog mich. Wäre es bei Tag geschehen, wäre ich nicht der Liebe verfallen.» Auch in anderen Liedern geht es um Situationen, die nicht aufgehen, knapp neben dem Glück liegen.

Verbindung zum Sehnsuchtsland

Vanessa Paloma Elbaz bezeichnet das als eine Art «psychologisches Drama», als «Spiel zwischen dem Sehnen und der nicht eintretenden Erfüllung». Als ein «süsses Ziehen» hin zu einem Ideal. Als unerreichbarer Ort galt nach der Vertreibung der Juden 1492 Sfarad, Spanien. So spielten viele Lieder dort, im Sehnsuchtsland.

Vier Männer, einer hält ein Saxophon und eine Frau
Legende: Mit «Sephardim» feiert die Band Bait Jaffe Jubiläum. Die sephardischen Lieder singt Ana María Pérez Giménez. Bait Jaffe

Doch die Lieder trügen Botschaften für die Menschen in der Diaspora in sich, ist Elbaz überzeugt, die selbst sephardischer Abstammung ist.

Sie geht davon aus, dass die Lieder nach 1492 eine wichtige Funktion hatten, nämlich: Ein Gefühl zu vermitteln, zu Sfarad zu gehören, Sefardim zu sein.

Singen im Familienalltag

Egal wo auf dieser Welt – die Musik verband die Menschen. Es waren vor allem die Frauen, die die Lieder im Familienalltag sangen: «beim Kartenspiel, beim In-den-Schlaf-Wiegen des Kindes, beim nachmittäglichen Tee».

So hätten sie sich tief in der Psyche verankern können. Mütter gaben die Lieder an ihre Kinder weiter. Dabei wurden sie immer wieder verändert und angepasst.

Schicht um Schicht

Diesen Prozess vergleicht Vanessa Paloma Elbaz mit dem Einkochen von Milch, um aus vielen Milchhaut-Schichten den Nachtisch «dulce de nata» herzustellen. Dieses Prozedere habe sie bei ihrer Grossmutter beobachtet. Schicht für Schicht entstehe so etwas sehr Dichtes. Das sei bei den sephardischen Liedern ähnlich, so Elbaz.

Für die Schweizer Band Bait Jaffe waren die sephardischen Lieder Neuland. Gemeinsam mit der granadinischen Sängerin Ana María Pérez Giménez haben sie sich das Programm zu eigen gemacht, ihre eigenen Versionen entwickelt. Dass diese Lieder immer noch voller Leben stecken und Menschen tief berühren, das zeigt sich an den bewegten Reaktionen beim Konzert.

30 Jahre «Bait Jaffe»

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1993 gründeten die Brüder Sascha und David Schönhaus die Band Bait Jaffe. Der Name ist Hebräisch und heisst: Das schöne Haus. Ihr Anliegen ist es, die traditionelle jüdische Musik lebendig zu halten. Sie entwickeln das Repertoire weiter, Einflüsse beispielsweise des Jazz sind hörbar.

Zur Band gehören auch Niculin Christen und Andreas Wäldele. Für das Projekt «Sephardim» ist Ana María Pérez Giménez aus Granada zur Band dazugestossen. Mit «Sephardim» feiert die Schweizer Klezmerband ihr 30-Jähriges Jubiläum.

In Granada selbst, wo das Alhambra-Edikt vor bald 532 unterzeichnet wurde, sind die jüdischen Spuren kaum sichtbar. Doch ein kleines sephardisches Museum will hier das Andenken an das alte Sfarad wachhalten.

Eine Ausstellung mit vielen verschiedenen Gegenständen, zum Beispiel Kacheln, Haushaltsutensilien und Texttafeln
Legende: Das «Museo Sefardí» in Granada widmet sich der Kultur und Geschichte der sephardischen Juden und zeigt ihre Traditionen. SRF

Batsheva Chevalier-Sola und ihr Mann Joseph ben Abraham Camarero haben es in ihrem privaten Haus aus eigenen Mitteln aufgebaut. Doch die Aufarbeitung der sephardischen Geschichte – also das ent-Schichten, das brauche noch ein paar Generationen Zeit, meint auch Musikwissenschaftlerin Vanessa Paloma Elbaz.

Radio SRF 2 Kultur, Passagen, 22.12.2023, 20:00 Uhr

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