Er war der Mann, der den Weltraum zum Swingen brachte: Peter Thomas, geboren 1925 in Breslau, aufgewachsen im Nachkriegs-Berlin zwischen Ruinen, Jazz und Jux. Der Pianist, Arrangeur und selbsternannte «Band-Diktator» lernte sein Handwerk in den Cafés der zerstörten Stadt.
«Diktatur in der Musik ist das Beste, was es gibt. Es kann nur einer das Sagen haben. Nur einer.» Mit dieser preussisch-humorigen Strenge schuf Thomas später eine Klangwelt, die zugleich diszipliniert und vollkommen verrückt war.
Vom Hexer zum Marsch: Die Berliner Lehrjahre
In den 1950er-Jahren komponierte Thomas Schlager, Revuen und Hörspielmusik – doch der Durchbruch kam mit dem deutschen Kriminalfilm. Als Produzent Horst Wendlandt lakonisch befahl: «Mach' mal ein bisschen Stimmung», legte Thomas los.
Für «Der Hexer» liess er seinen Bassisten Jean Thomé einfach den Titel mit heiserer Stimme rufen: «Der Hexer! Der Hexer!» – und schuf damit eine unvergessliche Krimi-Atmosphäre.
Zwischen Jazz, Marsch und Easy Listening balancierte Thomas den deutschen Nachkriegston aus: ironisch, pointiert, immer einen Akkord neben dem Mainstream und doch populär.
Im Weltraum wird’s wohl nicht so viele Kreuze auf dem Klavier geben.
Er perfektionierte seine Formel mit den Jerry-Cotton-Filmen. George Nader jagte im roten Jaguar durch Hamburg, während Thomas’ Bläser swingten und marschierten. «Die Musiker mussten marschieren, in Es-Dur», erzählte er später lachend. Aus amerikanischen Heftromanen und deutschem Studiohandwerk wurde ein Funk-Jazz-Hybrid – zwischen FBI-Marsch und Cocktailbar.
Countdown in A-Moll
1965 sass Thomas im Münchener Bavaria-Studio und sah den Rohschnitt von «Raumpatrouille Orion». Die Produzenten sagten nur: «Mach mal.» Thomas dachte: «Im Weltraum wird’s wohl nicht so viele Kreuze auf dem Klavier geben.» Also schrieb er eine Melodie auf den weissen Tasten, in A-Moll.
Avantgarde ist immer gut, wenn es auch eine Nachgarde gibt.
Herauskam ein Klassiker der Fernsehgeschichte: ein kosmischer Cocktail aus Hall, Echo und Lounge-Beats. Die schrillste Space-Musik des deutschen Fernsehens.
Raumpatrouille Orion machte ihn weltberühmt. Popmusiker wie Pulp oder die Fantastischen Vier zitierten seinen «Astronautik-Sound». Jarvis Cocker, Kopf der Band Pulp, rief eines Tages im Tessin an: «Hello Peter, we love your music.» Thomas lachte: «Nicht Joe Cocker?» Und erlaubte Pulp, sein «Bolero on the Moon Rocks» zu sampeln. Selbst Quentin Tarantino bat später um fünf Thomas-Titel. Der Komponist nannte es seinen «Ritterschlag».
Ein Jazz-Man im All
Trotz des Ruhms blieb Thomas ein Jazz-Man der netten Art. Für ihn konnte selbst ein Traktor zum Instrument werden – tatsächlich nahm er das Brummen einer Zugmaschine als Rhythmus für ein Free-Jazz-Stück auf.
Seine Musik blieb verspielt und handgemacht, auch als andere längst mit dem Synthesizer hantierten. «Avantgarde ist immer gut, wenn es auch eine Nachgarde gibt», gab er launig zu bedenken.
Wenn ich auf den See schaue, ist das wie ein Geschenk vom lieben Gott.
40 Jahre lang, bis zu seinem Tod am 17. Mai 2020, lebte Peter Thomas am Lago di Lugano. Dort mischte er weiter Bossa Nova mit Beethoven, Jazz mit Jux. «Wenn ich auf den See schaue, ist das wie ein Geschenk vom lieben Gott.»
Dort schrieb und bastelte er bis zuletzt an Musik aus einer anderen Zeit, vielleicht aus dem Weltall – Musik, die vor allem eines sollte: Spass machen.