Jahrzehntelang war Fritz Ostermayer auf der Jagd nach Trauermärschen und Songs rund um den Tod. Über 3000 hat der österreichische Musiker und Literat gesammelt.
Doch wie kommt man auf so was? Fritz Ostermayer weiss es nicht so genau. Schon als Kind haben ihn die scheppernden Blechkapellen in seinem Dorf immer dann am besten gefallen, wenn sie in Moll an einer Beerdigung aufspielten.
Als junger Mann in Wien nahm er dann heimlich die Musiken auf, die an Beerdigungen im Zentralfriedhof gespielt wurden. Mit der Zeit habe er regelrechten Trauermarsch-Tourismus betrieben, erzählt er.
Die nekrophilen Mexikaner
«New Orleans ist das Mekka für einen Trauermusik-Fetischisten, weil hier der katholische Zwang zum Tränenvergiessen auf die «Dirty Notes» des Blues trifft. Das heisst, eine neapolitanische Blaskapelle spielt die verbogenen Noten des Blues. Unvergleichlich!»
Auch Mexiko hat viel zu bieten in Sachen Trauermusik, erklärt Ostermayer: «Ein grossartiges Volk! Nicht nur todesgeil, sondern geradezu nekrophil! Im berühmten Lied von Lydia Mendoza geht’s darum, dass der Liebste seine verstorbene Geliebte aus dem Grab zurück ins Ehebett holt und eine Hochzeitsnacht mit ihr verbringt. Und das ist ein Folksong! Völlig durchgeknallt, aber toll.»
Zum Heulen schön
Fritz Ostermayer weiss auch, warum im Balkan so gut geklagt wird: weil es dort sogenannte Klageweiber gibt, die dafür bezahlt werden, so schön zu weinen und zu greinen, wie das sonst niemand könnte. In seiner Sammlung gibt’s denn zum Beispiel serbische Klagelieder – zum Heulen schön.
Sardinien hingegen kennt eine Tradition der Hirten, die schnarrende, durchdringende Chöre bilden, um zu trauern.
Wilde Rhythmen
In Ghana hat Ostermayer ein Stück entdeckt, das zeigt, dass die Missionierung nicht funktioniert hat. Die Einheimischen sollten offensichtlich zu einem westlichen Trauermarsch trommeln.
Sie spielten statt eines militärischen Zweiertaktes komplizierte Polyrhythmik – zur Blaskapelle der Kolonialmacht. Es ist eines der schrägsten Stücke in der Sammlung von Fritz Ostermayer.
Lieber ans Meer
Mittlerweile hat Fritz Ostermayer, der heute Redaktor beim ORF und Leiter der Schule für Dichtung in Wien ist, seine Sammelleidenschaft aufgegeben. Schuld daran ist seine Frau: Sie sagte eines Tages, sie hätte genug vom Friedhof-Tourismus, sie wolle wieder mal ans Meer.