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Ein älterer Mann mit Dreadlocks lehnt entspannt an einer Wand
Legende: Seine Solo-Konzerte liessen niemanden unbeeindruckt: Jazz-Pianist Cecil Taylor. Getty Images

Cecil Taylor ist tot Ein freier Tänzer auf den Klaviertasten

Cecil Taylor war eine Ikone des Free Jazz. Der Pianist starb gestern 89-jährig in New York. Taylor spielte, als ginge es um sein Leben: rauschhaft intensiv und inspiriert von anderen Welten.

Traditionen und Konventionen interessierten ihn nicht. Cecil Taylor begann seine unendlich lange Karriere anfangs der 1950er-Jahre zwar noch in Jazzbands zwischen R&B und Swing, entfernte sich aber bereits in seiner ersten Formation unter eigenem Namen sehr rasch und konsequent aus diesem Ambiente.

«Jazz Advance» hiess die erste Produktion, die Taylor 1956 mit Gefährten wie Steve Lacy, Buell Neidlinger und Dennis Charles aufnahm, bezeichnenderweise.

Horizonte, fern vom zeitgenössischen Jazz

Das renommierte Jazzlabel Blue Note Records brachte 1966 noch die Platte «Unit Structures» heraus. Aber da hatte sich Taylor schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt und Horizonte fern vom Jazz jener Tage erblickt.

Und schon damals konnte man einen Pianisten erleben, der mit dem charakteristischen Abrollen der Hände auf der Tastatur eine neue Art von Cluster entwickelt hatte. Gerade europäische Musikerinnen und Musiker wie etwa Irene Schweizer oder Alexander von Schlippenbach waren davon nachhaltig beeindruckt, und zeigten das auch in ihrem eigenen Spiel.

Was ist ein Cluster?

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Von einem Cluster auf dem Klavier spricht man, wenn zeitgleich mit den Fingern Tasten angeschlagen werden, die ganz nahe beieinander liegen. So entsteht der Eindruck, den man gern als Klangtraube beschreibt.

Nach 90 Minuten die Halbzeit

In Europa fand Cecil Taylor immer wieder ein Publikum, welches sich auf seine ausufernden Performances einlassen wollte. Er konnte ein höchst intensives Konzert nach neunzig Minuten unterbrechen, mit dem Hinweis, es gäbe jetzt eine kurze Pause.

Danach ging es vielleicht nochmals so lange weiter, höchstens durchsetzt von einer Lesung des Poeten Cecil Taylor, der mit einem Buch ums Klavier tanzte und dabei Gedichte rezitierte.

Andere Dimensionen

In kleineren und grösseren Formationen konnte man erleben, dass hinter dem freien Tänzer und Poeten auch ein Dramaturg steckte, der in anderen Dimensionen und Strukturen dachte.

Cecil Taylor hatte Ende der 1940er- und anfangs der 1950er-Jahre am New York College of Music und am New England Conservatory Komposition studiert und wusste sehr genau um die Errungenschaften von Leuten wie Béla Bartók oder Karlheinz Stockhausen.

Das Essentielle seines Wirkens blieb aber stets das Klavierspiel. Mit seinen Clustern und Eruptionen behandelte er den Konzertflügel als Perkussionsinstrument, als wären da auch geheime Verbindungen zum afrikanischen Kontinent.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 6.4.2018, 17:10 Uhr.

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