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Chorprojekt Perespiv Sie singen für ein Stück Ukraine in der Schweiz

Ein schweizweites Chorprojekt bringt ukrainische Schutzsuchende zusammen – und berührt damit auch Schweizerinnen und Schweizer.

Wenig verbindet so stark wie Musik. Nicht nur schüttet das Hirn beim Singen Glückshormone aus. Tun Menschen es gemeinsam, gleicht sich sogar ihr Herzschlag an. Das sorgt für eine tiefere Beziehung zu den Mitmenschen.

Diesen Effekt macht sich das schweizweit aktive Chorprojekt «Perespiv» zunutze: Es ermöglicht ukrainischen Schutzsuchenden in der Schweiz, gemeinsam ukrainisches Liedgut zu singen. Das Projekt ist eine Reaktion auf den Ukraine-Krieg.

Singen für den Frieden

Kurz nach Kriegsbeginn im Februar 2022 schlossen sich Chöre aus verschiedenen Teilen der Schweiz im Projekt «Singen für den Frieden» zusammen. Mit 15 Benefizkonzerten von Genf bis St. Gallen wurden Spendengelder für die humanitäre Hilfe gesammelt.

Rasch kamen 100'000 Franken zusammen. Das Tempo erstaunt, schliesslich durften Chöre nach den Lockerungen der Massnahmen gegen die Pandemie gerade erst wieder zusammenkommen und proben. Auch die ukrainisch-schweizerische Chorleiterin Zoryana Mazko war an «Singen für den Frieden» beteiligt. Doch sie wollte einen Schritt weiter gehen.

Austausch ohne Anfahrt

Immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer suchten Schutz in der Schweiz, vor allem Frauen und Kinder. Zoryana Mazko wollte den Kontakt zu ihnen aufnehmen und gründete Perespiv.

«Perespiv» lässt sich mit «Hin-und-Her-Singen» übersetzen. Das ist auch geografisch gemeint. Denn das Projekt ist regional in mehreren kleineren Chören organisiert. Damit ermöglicht es den Schutzsuchenden einen Austausch ohne lange Anfahrtswege.

Verschiedene Unterchöre widmen sich ausserdem anderem Repertoire: «Perespiv Sakral» interpretiert orthodoxe Lieder. Es gibt zudem einen Konzertchor für die fortgeschrittenen Sängerinnen und Sänger und «Perespiv Kids» für Kinder.

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Einmittung und Einstimmung

Ein Repertoire zu finden, das alle Schutzsuchenden anspreche, sei keine leichte Aufgabe gewesen, da die Ukraine viele verschiedenen Kulturen vereine, erklärt Boris Previšić. Er ist Professor für Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Luzern und hat Perespiv mit seiner Expertise für integrative Musikprojekte unterstützt.

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Legende: Sieht in der Musik viel Potenzial, um die ukrainischen Geflüchteten in ihrem Schweizer Alltag zu unterstützen: der Kulturwissenschaftler Boris Previšić von der Universität Luzern. Nils Fisch/Wikimedia Commons

Die Musik bringe nicht nur Verbindlichkeit und Struktur in den zerrütteten Alltag der Schutzsuchenden. Beim Singen müsse man auch aufeinander hören, sich einmitten und zusammen «stimmen».

Mehrschichtige Integration

Perespiv bietet den Schutzsuchenden nicht nur die Möglichkeit, sich auszutauschen und unaussprechbare Emotionen durch Gesang Singen zu verarbeiten, wie es Zoryana Mazko beschreibt. Auch in der Schweiz lebende Ukrainerinnen und Ukrainer können durch das Chorprojekt miteinander in Kontakt treten.

Eine Sängerin aus dem Kanton Graubünden mit ukrainischen Wurzeln lernt dank Perespiv beispielsweise mehr über die eigene Herkunft und die ukrainische Sprache. Auch viele Schweizerinnen und Schweizer nehmen am Projekt teil.

Von den Karpaten an die Küste

Perespiv möchte nicht nur nach innen verbinden und Mut stiften. Auch nach aussen hat der Chor eine Mission: Er möchte die ukrainische Kultur verbreiten und ein Bewusstsein für deren Eigenständigkeit schaffen.

Dazu vertont der Chor Melodien aus der ganzen Ukraine, von den traditionellen Gesängen der Karpaten bis hin zu sanften Klängen aus der Küstenregion im Süden.

Radio SRF 2 Kultur, Künste im Gespräch, 11.05.2023, 09:05 Uhr

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