Auch wenn es nicht ok ist, Country zu mögen – Johnny Cash ist ok, keine Frage, er ist mehr als ok: ein cooler Typ mit cooler Musik.
Das Original
Wie cool Cash ist, zeigt sich, als er mit dem Über-Produzenten Rick Rubin in den 90er-Jahren die Album-Reihe «American Recordings» aufnimmt. Da ist Cashs Sänger-Karriere bereits vorbei – er machte damals mit TV-Auftritten bei Serien wie «Dr. Quinn – Ärztin aus Leidenschaft» von sich reden – und Rubin produziert eigentlich Bands wie Run-D.M.C., Beastie Boys oder Slayer.
Doch ihre Zusammenarbeit ist ein Glücksfall für alle Cash-Fans. Rubin holt den Man in Black zurück – und zwar mit einem Kniff: Er lässt Cash auf den Alben eigene Songs singen, aber auch viele berühmte Künstler covern.
Cash erkennt die Seele der Songs
Und während viele Sänger munter und vor allem schamlos die Lieder ihrer Kollegen zerstückeln oder sonst wie misshandeln, fasst Johnny Cash die fremden Originale mit Samthandschuhen an – und mit viel Liebe. Er entfernt vorsichtig alles Überflüssige, jeglichen Pomp und alle die netten, aber unnötigen Spielereien. Cash holt die Seele der Lieder hervor, bis sie da liegt, nackt und verletzlich.
Und Cash nimmt sich ihrer an, er macht sich die Lieder zu eigen – und vor allem: Er macht sie besser. Vergleicht man die Cash-Versionen von «One» oder «I Won't Back Down» mit den Originalen, dann fällt es schwer, diese als U2- bzw. Tom Petty-Songs anzuerkennen.
Gott persönlich liest vor
Als Cash im Jahr 2000 das Album «American III: Solitary Man» aufnimmt, ist er bereits krank. Er muss mehrmals mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus und seine einst mächtige Baritonstimme klingt brüchig, gealtert – und gleichzeitig unglaublich weise, ja kathartisch. Dazu die nackte akustische Gitarre, die einfachen Arrangements von Rubin.
Bei einem Sänger wie Johnny Cash ist das – und ich entschuldige mich für diesen Ausdruck – Gänsehautfeeling pur. Oder, wie es ein Kritiker des «Rolling Stone» so passend beschrieb: Es klingt, «als würde Gott persönlich aus dem Alten Testament vorlesen.»