«Ich bin mehr ein Berg-Mensch als ein Meer-Mensch», so beschreibt sich Dobrinka Tabakova selbst. Die britisch-bulgarische Komponistin sitzt auf einem Stein im Alpengarten der Schatzalp – umgeben von seltenen Pflanzen und Kräutern.
Wo Orpheus zuhause war
«Ich bin in den Bergen aufgewachsen, im Rhodopen-Gebirge. Dort, wo auch Orpheus der Sage nach zuhause war.» In den Bergen könne sie sich gut konzentrieren, sagt die 38-Jährige: «Je höher hinauf, desto klarer die Gedanken»,
Tatsächlich wirkt die Komponistin fokussiert – und dabei entspannt. Dazu hat sie allen Grund, kann sie doch auf viele Erfolge zurück- und positiv in die Zukunft blicken.
Ihr Erfolg liegt auch darin begründet, dass sie keiner Kompositionsschule angehört, sondern eine Art Stil-Patchwork kreiert. Ihre Musik blickt zurück und nach vorne. Sie speist sich aus Folklore und Avantgarde und wagt sich, verführerisch zu sein. Vor allem aber traut sich Dobrinka Tabakova, Emotionen mit dem Publikum zu teilen.
Es sei wichtig, die Welt im 21. Jahrhundert so zu akzeptieren wie sie ist, sagt Dobrinka Tabakova. Mit all der verfügbaren Musik, zum Beispiel via YouTube. Aus allen Jahrhunderten und von überall her. «Es ist wichtig herauszufinden, was einen selbst am meisten anspricht. Daraus etwas zu kreieren, was das Publikum anspricht, so dass eine Verbindung entsteht.»
Das Comeback der Emotionen
Diese Verbindung entstehe vor allem durch Emotionen. Etwas, das in der so genannten Neuen Musik lange verpönt war. Emotionen seien zentral, um eine Verbindung zwischen Menschen zu schaffen, sagt Dobrinka Tabakova. Sie hofft, dass diese in diesem Jahrhundert noch an Stellenwert zunimmt.
Emotionen kann man als Zuhörer frei fliessen lassen, wenn man sich zum Beispiel das Streichseptett «Such Different Path» anhört. Dicht und klangschön ist diese Musik – bis sie ins Nichts verschwindet.
Tonal oder nicht tonal: Das ist kein Thema für die erfolgreiche Komponistin. Es war wichtig im 20. Jahrhundert: «Die Stile des 20. Jahrhunderts waren eng mit der Geschichte verbunden. Heutzutage ist es für uns vor allem wichtig, einzigartig zu sein.»
Menschen in die Nische holen
Da die klassische Musik eine Nischen-Kunst sei, sei es besonders wichtig, Menschen dafür zu interessieren, sie mit der Musik zu verbinden.
Ein Trend in der Musikavantgarde des 21. Jahrhunderts: Tatsächlich ist die klassische Musik – pauschal gesagt – etwas weniger sperrig, zugänglicher, vielleicht auch offener geworden. Diesen Trend verkörpert die britisch-bulgarische Komponistin Dobrinka Tabakova perfekt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 8.8.2018, 8:20 Uhr.