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Musik Der griechische Rembetiko lebt wieder auf – in Coverversionen

Den Rembetiko spielten in Griechenland einst nur Flüchtlinge und Arbeiter. Heute, da das Land in einer Krise steckt, erlebt der «Blues der Griechen» ein Revival – in Form von Coverversionen, gespielt von der jungen Generation.

Anfang der 20er-Jahre verlieren die Griechen den Krieg gegen die Türken. Das bedeutet für die griechischstämmigen Osmanen, dass sie flüchten müssen. Die meisten gehen nach Griechenland, stranden in den Hafenstädten Piräus, Athen und Thessaloniki. Dort angekommen, fühlen sie sich ihrer Heimat entwurzelt. Sie können nur schwer Fuss fassen und leben in bitterster Armut. Viele suchen Zuflucht in Drogen.

Die Busuki gibt den Ton an

Bauch der Busuki.
Legende: Das Hauptinstrumente des klassischen Rembetiko ist die Busuki. Flickr/Niaouris Pavlos

Ihre alltäglichen Sorgen und Erfahrungen bringen die Neuankömmlinge mit der Rembetiko-Musik zum Ausdruck – in der Anfangszeit dominieren orientalische Instrumente wie Santur, Geige und Lyra.

Neben den Zugewanderten leben auch viele der griechischen Arbeiter in ärmlichen Verhältnissen. Sie gestalten die Rembetiko-Musik mit. Das führt mit den Jahren zu einer immer stärkeren Mischung von orientalischen und griechischen Stilen. Die heute für griechische Musik typische Busuki – als Langhalslaute mit birnenförmigem Korpus ähnelt sie einer Mandoline – setzt sich als populärstes Instrument im Rembetiko durch.

Geächtet und zensiert

Audio
Melihat Gülses: «Barba Yannakakis. Kurban»
03:43 min
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 43 Sekunden.

Die Texte der Rembetiko-Lieder handeln hauptsächlich von Armut, Liebe und Drogen. Durch die direkte Wortwahl entstehen oftmals scharfe Skizzen des damaligen Alltags. Beschrieben wird etwa, dass man sich den nächsten Heroinschuss setzten möchte, dass die Polizei beim Glücksspiel stört oder wie jemand auf einer Strohmatte im Dreck schläft und von der Gesellschaft verscheucht wird, weil er zu schmutzig ist. Es gibt jedoch auch trostspendende Texte, die zwar die Armut schildern, aber Hoffnung auf ein besseres Morgen machen.

Von der griechischen Gesellschaft werden die sogenannten Rembetes geächtet. sie gelten als kriminell. Während der Diktatur unter Ioannis Metaxas in den 30er-Jahren sowie zur Zeit der Militärdiktatur Ende der 60er- bis Anfang der 70er-Jahre werden viele Texte zensiert.

Darum versammeln sich die Rembetes oft an versteckten Plätzen, um zu spielen. Ein ungebrochener Stolz der Menschen lässt sich in der eindringlichen, eigenwillig vorantreibenden Rhythmik der Stücke erkennen.

Lieder über fehlende Perspektiven

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Christos Pantelis: «Pali kiapopse skeftikos»
03:37 min
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 37 Sekunden.

Seit Beginn der griechischen Staatsschuldenkrise lebt die Rembetiko-Musik wieder auf. Der 23-jährige Konstantinos etwa verdient sich das Geld für sein Informatikstudium, indem er in Restaurants Rembetiko-Lieder auf seiner Busuki spielt. Schon immer hat ihm dieser Musikspiel gefallen. Doch seit es Griechenland schlechter geht, ist die Rembetiko-Musik bei der jungen Generation des Landes immer populärer geworden.

«Die Musik gibt einem Halt», erklärt Konstantinos. Denn die Krise im Land greift um sich: keine Arbeitsplätze, keine Möglichkeit, sich hier ein Leben aufzubauen, Zukunftsängste. «Die alten Lieder beschreiben vieles, was auch wir heute erleben müssen. Man fühlt sich darin verstanden», sagt Konstantinos.

Nie waren die Stücke gänzlich von der musikalischen Oberfläche Griechenlands verschwunden. Doch: «Vielleicht leben wir die Stücke sogar mehr als irgendeine Generation vor uns, eben weil wir uns in dieser finanziell sehr schwierigen Lage befinden», sagt der Student.

Auf der Suche nach dem Original

Rembetiko-Swing, Rembetiko-Electro, Ska, Jazz, Reggae – seit einigen Jahren covern immer mehr Bands die alten Lieder. So auch die Reggae-Ska-Truppe Locomondo mit Frontmann Markos Koumaris. «Viele der jungen Leute hören zuerst unsere Version. Dann aber suchen sie nach dem Original und stossen auf die vielen wunderbaren Rembetiko-Sänger der 20er- und 50er-Jahre», sagt Koumaris. Er will durch die Covers die alten Stücke ins Heute holen.

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