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Musik Der unermüdliche Song-Jäger Alan Lomax

Alan Lomax war ein unermüdlicher Sammler von Klängen: Der US-amerikanische Musikforscher reiste während Jahrzehnten durch die Welt, um Aufnahmen traditioneller Musik zu machen. So entstand ein musikalisches Archiv, dessen Bedeutung bis heute enorm ist. 2015 wäre Lomax 100 Jahre alt geworden.

«Er war eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Folkrevivals seit den 1950er- Jahren, hat Lieder gesammelt, Feldaufnahmen gemacht und brachte die Energie, die Vision und die Kreativität mit, um etwas damit anzufangen», sagt die Folksängerin Peggy Seeger über Alan Lomax, den amerikanischen Weltmusikforscher, Volkskundler und Schallplattenproduzenten, der 2002 verstorben ist und am 31. Januar 2015 hundert Jahre alt geworden wäre.

Klänge vor dem verschwinden bewahren

Schwarzweissfoto: Lomax mit Gitarre auf einer Bühne.
Legende: Alan Lomax sammelte nicht nur Musik, er war auch selbst passionierter Musiker. Library of Congress

Lomax hat durch seine unermüdliche Aufnahmetätigkeit in vielen Teilen der Erde, zahlreiche Musikstile dokumentiert, die es inzwischen nicht mehr gibt, wie etwa den akustischen Countryblues aus dem Mississippi-Delta, der nahezu ausgestorben ist, oder die Arbeitsgesänge der Gefangenenkolonnen im Süden der USA.

Damit hat Lomax Lieder, Melodien, Klänge und Rhythmen dem Kollektivgedächtnis der Menschheit bewahrt, die sonst unwiederbringlich verloren wären. Sie regen heute junge Folk- und Weltmusiker wie Sam Amidon oder Tim Erikson zu neuen Versionen archaischer Songs an.

Erikson hat das «Shape Note Singing», ein religiöser Gesangsstil aus dem amerikanischen Süden, den Lomax ausführlich dokumentiert hatte, für ein junges Publikum wieder attraktiv gemacht. Und Amidon interpretierte etliche Songs aus dem Repertoire der Georgia Sea Island Singers neu. Die Gruppe war einst von Lomax entdeckt und zum Newport Folkfestival gebracht worden.

Die Musik des Hinterlandes

Am 31. Januar 1915 in Austin, Texas geboren, wuchs Alan Lomax in einer Familie auf, in der Musik eine wichtige Rolle spielte. Sein Vater John Lomax war Literaturwissenschaftler und Volkskundler und nahm den Teenager zu ersten Aufnahme-Exkursionen mit. Im Süden der USA zeichneten sie Lieder von Baumwollpflückern und Sträflingen für das Volksliedarchiv der Library of Congress auf.

Während des Studiums begann sich Alan Lomax politisch zu betätigen. Er engagierte sich in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, was ihn noch stärker motivierte, die Musik der einfachen Leute zu dokumentieren. Auf seinen Reisen im Hinterland der USA entdeckte er eine verborgene Welt aus Liedern, Balladen, Hymnen und Songs von Feldarbeitern und Tagelöhnern, die von der Hochkultur nicht wahrgenommen wurde.

Flucht und neue Exkursionen

In den 1950er-Jahren kam Alan Lomax wegen seinen politischen Ansichten in Bedrängnis. Um nicht vor dem «Komitee für unamerikanische Umtriebe» erscheinen zu müssen, setzte er sich nach England ab. Von London aus brach er nun zu Aufnahme-Exkursionen in halb Europa auf. Ob Spanien, Italien, Rumänien oder Schottland – überall machte Lomax Feldaufnahmen, die wenig später auf Langspielplatten erschienen.

Das Album «Sketches of Spain» des Jazztrompeters Miles Davis wurde durch eine der Spanien-Aufnahmen von Lomax angeregt, wobei Arrangeur Gil Evans die andalusischen Flamenco-Klänge in schillernde Jazzbigband-Sounds verwandelte.

Das Archiv geht online

Lomax hatte eine charmante Art, Musiker und Musikerinnen für sein Aufnahmeprojekt zu gewinnen. Er lobte ihren Liedvortrag in höchsten Tönen, um sie zu weiteren Gesängen zu animieren. Manchmal wurde das missverstanden: Im Süden der USA wurde er einmal von einem eifersüchtigen Ehemann mit gezückter Pistole aus der Ortschaft gejagt.

Heute kümmern sich zwei Institutionen, die Library of Congress in Washington D.C. und die Association for Cultural Equity in New York, um die Aufarbeitung des Nachlasses von Alan Lomax. Dafür erweist sich das Internet als ideales Medium: Viele der Feldaufnahmen können inzwischen kostenlos online angehört werden. Sie inspirieren Musiker wie John Paul Jones von Led Zeppelin oder den jungen Banjospieler Jayme Stone dazu, diesen klingenden Schatz für die Gegenwart fruchtbar zu machen.

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