Die renommierten Brit Awards schaffen die Geschlechterkategorien bei der Preisverleihung ab. Statt wie bisher den «Besten internationalen Solokünstler» und die «Beste internationale Solokünstlerin» separat zu ehren, werden ab 2022 diese Kategorien zu «Bester internationaler Künstler» zusammengefasst.
Ziel der Aktion sei, das künstlerische Werk zu würdigen – unabhängig von der geschlechtlichen Identität des Kunstschaffenden, argumentiert das Präsidium. Ausserdem möchte man mit diesem Schritt für mehr Diversität und Gleichberechtigung in der Kreativwirtschaft sorgen.
This is a man's world
Diese vermeintlich noble Geste führt nicht automatisch zum gewünschten Effekt. Bei der Verleihung des Swiss Music Awards 2021 (SMA) wurden in beinahe allen geschlechtsneutralen Preiskategorien vornehmlich Männer oder Bands mit ausschliesslich männlichen Mitgliedern nominiert.
Dieser Missstand ist nicht unbedingt hausgemacht. Das Problem liegt an der Art und Weise, wie die Nominierungen zustande kommen und an der allgemeinen Omnipräsenz von Männern in der Kreativwirtschaft.
Die unsichtbaren Frauen
Eine Auswertung der SUISA, der Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik, aus dem Jahr 2018 ergab, dass der Anteil der Frauen aller dort gelisteten Urheber bei lediglich 15,7 Prozent lag. Die Chancen für Musikerinnen, in den Schweizer Charts zu landen und so auf die Nominierungslisten der SMA zu gelangen, sind von vornherein also geringer.
Laut den Ergebnissen der Vorstudie « Geschlechterverhältnisse in Schweizer Kulturbetrieben » beträgt der Anteil an Frauen in der Popmusik auf Schweizer Bühnen nur etwa 9 Prozent. Auch abseits des Rampenlichts sieht die Bilanz düster aus, wie die Analyse im Auftrag der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia zeigt: So sind beispielsweise nur 8,3 Prozent der Präsidiumsposten in Kulturbetrieben mit Frauen besetzt.
Die Studie lässt vermuten, dass vor allem die «wirkmächtige Ausrichtung am Massstab männlich geprägter Lebensentwürfe im Bereich der Kunst und Kultur» für diesen Missstand verantwortlich sei. Auch eine geringe Vereinbarkeit von Beruf und Familie, in einer durch klassische Rollenbilder geprägten Welt, führe zu diesem Ungleichgewicht.
Die Studie stellt fest: Die Schweizer Musikwelt wird von einer strukturellen Nicht-Sichtbarkeit von Frauen überschattet.
Preise lösen keine Probleme
Um dieser Nicht-Sichtbarkeit entgegenzutreten, sehen die SMA das «Showcasen» von weiblichen Vorbildern bei Live-Auftritten während der Verleihung als grösseren Dienst an die Gleichberechtigung . Eine Frauenquote in den genderneutralen Kategorien sei indes nicht geplant.
Mit der Einführung geschlechtergetrennter Preise wollte man ein Gleichgewicht zwischen Künstlerinnen und Künstlern in Award-Shows schaffen, halten die SMA in einer Stellungnahme fest. In exklusiven Kategorien sollte die Leistung von Künstlerinnen gewürdigt werden, ohne dass sie unter unfairen Bedingungen mit Männern konkurrieren müssen.
Fazit: Dass geschlechtergetrennte Preise den Frauen zu mehr Sichtbarkeit verhelfen, kann man angesichts der Zahlen aus den Studien nicht ableiten.
Es ist also fraglich, ob geschlechtsneutrale Preiskategorien etwas ändern, bevor die strukturellen Ungerechtigkeiten aus der Welt geschafft sind.