Josef Erich Zawinul, genannt «Joe», spielt als Kind Akkordeon. Sein billiges Instrument hat nur ein Klangregister – und damit nur einen einzigen Sound. Zu wenig für ihn.
Mit sieben Jahren entwendet er temporär ein teureres Modell und baut dessen Register in sein eigenes Akkordeon ein. Darauf tönt es zwar nicht mehr so laut, aber die neuen Klangmöglichkeiten sind wie eine Erleuchtung für Zawinul. Ein Klangtüftler ist geboren.
Aus dem klassischen Studium wird nichts
Kaum ein Musiklehrer kann dem talentierten Zawinul etwas beibringen. Er wird schliesslich ans Wiener Konservatorium geschickt, um klassischer Pianist zu werden.
Doch seine wahre Passion ist der Jazz, aus dem klassischen Studium wird nichts. Stattdessen spielt er in den besten Jazzbands Österreichs.
Über den Ozean
Joe Zawinul bewirbt sich erfolgreich für ein Studium am renommierten Berklee College of Music. 1959 reist er nach Boston, um dort Jazz zu studieren.
Doch auch dieses Studium bricht er bald ab. Denn in der New Yorker Jazzszene wird man auf den begnadeten Europäer aufmerksam.
Ein prägender Trip
In den Folgejahren spielt Joe Zawinul mit namhaften Musikern zusammen. Beispielsweise mit dem Saxofonisten Cannonball Adderley, für dessen Band er das bekannte Stück «Mercy, Mercy, Mercy» schreibt.
Trotz seines Erfolgs fällt Joe Zawinul mit der Zeit in eine schöpferische Krise. Er hat das Gefühl, musikalisch lediglich seine Piano-Vorbilder zu kopieren. Dann verändert ein prägendes Erlebnis seine Art zu spielen.
Im Haus eines Freundes nimmt er LSD und klimpert auf dessen Piano herum. In diesem Moment findet er – gemäss eigener Aussage – seine eigene musikalische Sprache: Seine einzigartige Melodieführung und Phrasierung.
Versteckt hinter einer Burg von Keyboards
Zu Zawinuls musikalischer Veränderung kommt ein klanglicher Wandel hinzu. Er wechselt vom akustischen Piano zu elektrischen Keyboards und zu Synthesizern. Das gibt ihm die Möglichkeit, mit einem einzelnen Instrument mehrere Sounds zu erzeugen, was ihn seit klein auf fesselt.
Zawinul schafft sich unzählige Keyboards und Geräte an und experimentiert mit unterschiedlichsten Effekten. Mit der Zeit entwickelt er seine ganz persönlichen Sounds, mit denen er sich ab 1970 in der erfolgreichen Jazzrockband «Weather Report» auslebt.
Erneut beweist er sein Talent als Komponist: Das Stück «Birdland» wird ein kommerzieller Erfolg.
Futuristischer World Jazz
Joe Zawinul bleibt auch nach seiner Zeit mit «Weather Report» musikalisch innovativ. Er interessierte sich schon lange für die afrikanische Musik und gründet Mitte der 1980er-Jahre die Formation «Zawinul Syndicate», die bis zu seinem Tod 2007 besteht. Die Gruppe löst die Grenzen zwischen Welt- und Tanzmusik auf, wie im Stück «Waraya».
Auch klangtechnisch geht Joe Zawinul mit der Zeit. Er kreiert mit Hilfe von digitalen Samplern, Vocodern und Computern erneut ein völlig eigenes Sounddesign.
Obschon Zawinuls Sounds auf so technische Art entstehen, klingen sie immer «menschlich». Dies, weil er mit seinen Keyboards und Synthesizer dermassen verschmolzen ist, dass sie durch ihn – beinahe – zum Leben erwachen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Vorabend, 11.9.2017, 16.05 Uhr.