Amsterdam im November 1814. Der Uhrmacher Diederich Nikolaus Winkel schraubt ein Pendel zusammen, das er extra für Musiker konstruiert hat. Es ist nicht oben aufgehängt, sondern etwas unterhalb der Mitte.
Ein kleines Gewicht am unteren Ende lässt den Pendelstab auch stehend hin und her ticken. Ein Räderwerk mit Aufzugsfeder hält den Stab in Schwung.
Tickendes Geschenk für die Wissenschaft
Das Metronom ist geboren. Wenn auch unter anderem Namen: Winkel nennt seine Erfindung «Chronometer» und schenkt das erste Modell der Holländischen Akademie der Wissenschaften.
Im selben Herbst reist der Wiener Mechaniker Johann Nepomuk Mälzel durch Europa. Auch nach Amsterdam. Dort stellt er einen von ihm gebauten mechanischen Trompeter und einen Apparat namens Panharmonium, eine Art Orgel, der Öffentlichkeit vor.
Ideenklau und Geschäftsidee
In Amsterdam treffen sich die beiden Tüftler. Der musikbegeisterte Mälzel sieht sofort, welches Potenzial in Diederichs Erfindung steckt. Er erkennt überdies, was es braucht, um diesen Apparat in grösserer Menge abzusetzen. Nämlich eine einheitliche Skala.
Die Pendelschläge sind bei Diederich in einem lokalen, also nur in den Niederlanden gültigen Längenmass angegeben. Mälzel verändert dies zu einer Einheit, die in ganz Europa verbreitet ist: Schläge pro Minute.
Ein Produkt für einen globalen Markt
Er lässt das Gerät unter dem Namen «Mälzels Metronom» in London, München und in Paris patentieren, wo er eine Fabrik bauen lässt und Metronome in grosser Zahl herstellt. Der Markt ist gross, Mälzel verkauft bis in die USA.
Der Gewinner ist der Verlierer
Natürlich fuchst das den Uhrmacher Winkel in seiner Amsterdamer Werkstatt. Winkel begibt sich mit Mälzel in einen Rechtsstreit über die Erfindung des Taktmessers. Jahrelang. Bis ein Urteil im Jahr 1820 den Erfinder klar benennt.
Der Erfinder ist: Diederich Nikolaus Winkel. Doch da hat sich Mälzels Apparat schon längst unter dessen Namen durchgesetzt. «Winkels Chronometer», wie das Metronom eigentlich heissen müsste, bleibt eine juristische Chimäre.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 9.2.2017, 9 Uhr