Diese junge Frau nimmt kein Blatt vor den Mund: «Abhängigkeit, Anpassung, Angst, Arschlöcher – all das beherrscht mein Leben als junge Frau. Und ist für mich als Musikerin die grösste Inspiration», sagt die 32-jährige Riccarda Naef aus St. Gallen.
Eine Spätzünderin
Doch es hat gedauert, bis Riccarda Naef bewusst für ihre Ideale einstehen konnte. «Ich bezeichne mich noch nicht so lange als Feministin. Feminismus war mir lange kein Begriff, beziehungsweise ich hatte traurigerweise sogar lange eine Abneigung gegen dieses Wort.» Nach einer Trennung schreibt sie dann ihren ersten feministischen Song: «Prinz im Porsche».
Du bisch min Prinz, du bisch min Prinz. Doch dis Pferd, das isch en Porsche. I stiege uf Endstation Glück. Tue mi rette, mue mi rette
Riccarda Naef greift darin das Bild des Märchenprinzen auf, der auf seinem weissen Pferd angeritten kommt, um seine Prinzessin zu retten. Es geht hier aber um die Abhängigkeiten in einer Beziehung und um Klischees, sagt Naef: «Ich möchte das aufdecken. Der Porsche ist ein Status- und Machtsymbol, aber dahinter verbergen sich oft Unsicherheiten.»
In ihren zynischen Texten bricht sie bewusst mit den Erwartungen des Publikums. «Das ist halt auch mein Humor», lacht Riccarda Naef. «Ich mag diese Ambivalenz. Sie soll dazu anregen, die eigene Geschichte und das eigene Verhalten zu reflektieren.»
Musik ist Befreiung
Eigentlich ist Naef Performancekünstlerin und Kunstvermittlerin. Aber diese Ausdrucksform habe ihr irgendwann nicht mehr gereicht, sagt sie. Jetzt hat sie die Musik als Sprachrohr für sich entdeckt. «Ich habe meine eigene Meinung oft zurückgehalten. Musikmachen, die Stimme einsetzen – das war der erste Schritt, offen meine Meinung zu sagen. Das war eine grosse Befreiung.»
Die Musik habe eine ganz neue Facette an ihr provoziert, sagt Riccarda Naef. Kommt hinzu: In ihren Songs singt sie nicht nur über sich selbst. Deswegen tritt sie als Musikerin unter dem Namen Jeffi Lou auf «Meine Songs entstehen durch Gespräche mit anderen, durch das Lesen von feministischen Büchern und durch meine eigene Geschichte kombiniert mit ganz viel Fiktion.»
Fetisch Achselschweiss
Den Namen Jeffi Lou kann man nicht sofort einem Geschlecht zuordnen, und damit spielt sie. Mit Jeffi Lou könne sie neugierig, mutig und voller Freude ihre Ideen umsetzen. «Das ist wie eine Seite, die ich lange zurückgehalten habe. Das ist die Seite, die nicht perfekt und anständig und sauber ist und nicht darauf achtet, was sie sagt. Diese Seite kommt mit Jeffi Lou brutal hervor.»
Im Song «Go nöd go dusche», eine Ode an den Achselschweiss, geht’s um sexuelle Vorlieben. Dass Frauen schwitzen und nach Schweiss riechen, sei für viele nach wie vor ein Tabuthema. «Der Schweiss steht aber stellvertretend für alle anderen Körpergerüche und vermeintlichen Tabus, über die frau nicht spricht. Der Song handelt auch von sexuellen Vorlieben.
Dini Höhli vode Lieb verzauberet mini Sinn. Stechend und bissend duftend. E Mixtur us Wasser, Salz, Kalium, Protein, Milchsüüri, Harnsüüri und Fettsüri. Baby, bitte go nöd go dusche. Du weisch, I liebe din Schweiss.
«Wir sind Jeffi Lou»
Feministische Musik hat in den letzten Jahren einen unglaublichen Aufwind erlebt. Gleichstellung, das Recht auf Selbstbestimmtheit: Das sind nach wie vor akute Themen.
Darum hofft auch Riccarda Naef, dass sie mit ihren Songs etwas erreichen kann. «Mein Ziel ist nicht, eine Hymne zu schreiben, die im Radio gespielt wird. Aber ich wünsche mir, dass meine Songs nachhallen.» Wenn sie nur eine Person damit erreiche, die dann ein feministisches Buch lese oder mit einem Freund darüber diskutiere, dann entstünden vielleicht kleine Wellenbewegungen.
Ihre Songs sind jedenfalls mehr als nur ein Fingerzeig. Wut sei wichtig und auch seine Meinung zu sagen, sei wichtig, findet Riccarda Naef. Sie habe aber gemerkt, dass sie am meisten erreichen könne, wenn sie andere Leute mit ins Boot hole.
«Meine Songs sind auch ein Aufruf an alle, der sagt: Ihr dürft ausbrechen und das ganze Potenzial in euch drin ausleben. Wir sind Jeffi Lou, und ich sage jetzt extra ‹wir›. Wir sind viele, und wir halten zusammen.»