Laue Abende, gutes Essen und eine historische Altstadt in sanften Ockertönen bilden die attraktive Kulisse des Festival d’Aix-en-Provence.
Das Festival sei mehr als die Verlängerung eines angenehmen Diners auf einer schönen Terrasse, betont der neue Künstlerische Direktor Pierre Audi: «Es soll ein Ereignis sein.»
Er tritt damit in die Fussstapfen seines Vorgängers Bernard Foccroulle, der in dieser Hinsicht vieles bewirkt und vorgespurt hat.
Innovativer Geist
Audi ist ein sehr erfahrener künstlerischer Leiter. Er führte unter anderem die Oper Amsterdam in die oberste Liga der europäischen Opernhäuser und setzte auch in seiner Zeit beim innovativen Holland Festival zahlreiche Akzente.
Er engagierte avancierte Regisseurinnen und Regisseure, setzte sich für neues Musiktheater ein und brachte auch vermehrt aussereuropäische Musik ins Spiel. Diese drei Punkte prägen nun auch seine erste Festivalausgabe in Aix.
Eine Regiegrösse setzt neue Massstäbe
Ein Kunststück gelang ihm bereits zum Auftakt: Sämtliche Mozart-Opern wurden in Aix-en-Provence bereits mehrfach gespielt, also beauftragte Audi kurzerhand Romeo Castellucci mit einer Inszenierung von Mozarts Totenmesse, dem Requiem.
In Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Raphaël Pichon und dessen hervorragendem Ensemble Pygmalion entstand ein prächtiges, ergreifendes Tableau über die Vergänglichkeit.
Gleichzeitig ist es eine Feier des Lebens. Diese geht von tiefschwarz in helle Farben über, zeigt folkloristische Freudentänze, verschiedene Generationen von Menschen sowie unterschiedliche Materialien wie Honig, Asche, Rauch und Erde.
Atlas der Auslöschung
Zur bald abgründigen, bald flehenden, bald tröstlichen Musik Mozarts, zum liturgischen Text und dem dynamischen Geschehen auf der Bühne, werden die Namen von ausgelöschten Dingen an die Rückwand der Openair-Bühne im Théâtre de l'Archevêché projiziert: Ausgestorbene Fauna und Flora etwa, verschwundene Städte, Völker, Religionen und Kunstwerke.
Dieser «Atlas der Auslöschung» kommt zeitlich immer näher an die Zuschauer heran. Castellucci zwingt das Publikum damit förmlich, sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinander zu setzten.
Virtuelle Welten
Den Blick in eine mögliche Zukunft der Oper lieferte der niederländische Komponist Michel van der Aa, ein Pionier im Feld des mit neuen Medien erweiterten Musiktheaters. Er zeigte unter anderem sein jüngstes Werk «Eight», ein Virtual-Reality-Musiktheater.
Mit VR-Brille und Kopfhörer bewegt man sich einzeln durch diese Installation und erkundet so diverse optische und akustische Welten.
Eine virtuelle Frauenfigur führt den Besucher erst durch einen Korridor mit klingenden Wänden, dann in ein unendliches Universum, in eine Grotte oder durch eine spektakuläre Berglandschaft. Elektronik und verschiedenen Stimmen ergänzen die optische Szenerie – eine avancierte, ambientartige Musik.
Oper trifft auf Game
Das Ganze dauert rund 15 Minuten. Es ist ein eindrückliches und teilweise interaktives Erlebnis an der Grenze zum Videogame. Die Installation entstand denn auch in einem Labor, wo sonst Games entwickelt werden.
Damit werden die unterschiedlichsten virtuellen Musiktheaterwelten denkbar: Mit andersartiger Musik, mit narrativer oder nicht-narrativer Handlung, mit mehreren virtuellen Akteuren und auch als gemeinsames Erlebnis mit einem grösseren Publikum.