SRF: Sie haben den Empowerment Day organisiert. Warum braucht es ihn?
Yvonne Meyer: Der Frauenanteil an Schweizer Popmusikfestivals liegt im Schnitt bei 10 bis 20 Prozent. Die meisten davon sind Sängerinnen. Zieht man diese ab, bleiben rund 5 Prozent Instrumentalistinnen. Diese Zahl hat sich in den letzten Jahren kaum verändert.
Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. Wie sieht die Benachteiligung von Frauen in der Schweizer Jazz- und Pop-Musikszene im Alltag aus?
Die Benachteiligung passiert oft unbewusst. Kürzlich erzählte Salomé Buser, die Ex-Bassistin der Rockband Stiller Has in einem Interview, dass ihr unzählige Male der Zutritt zur Garderobe verweigert wurde. Die Türsteher gingen davon aus, sie sei ein Groupie.
Auch die Medien tragen ihren Anteil bei: Es ist erschreckend, wie oft Musikerinnen in Konzertkritiken nach ihrem Aussehen und nicht nach ihrem Können beurteilt werden.
Warum halten sich solche Geschlechterklischees so hartnäckig?
Was in der Musikwelt passiert, ist immer ein Abbild der gesellschaftlichen Situation. Mit dem spät erlangten Frauenstimmrecht ist die Schweiz historisch vorbelastet. Anders als in Schweden trauen sich Buben bei uns weniger, die Harfe zu wählen und Mädchen die E-Gitarre.
Wenn sich später Teenager zu Bands formieren, bleiben Mädchen oft auf der Strecke. Die Gründe dafür liegen vor allem in der Sozialisation, den damit verbundenen gesellschaftlichen Stereotypen und den fehlenden Vorbildern.
Der Verein Helvetiarockt setzt an dieser Stelle mit Female Bandworkshops an, deren Ergebnisse auch am Empowerment Day zu hören sind . Besteht bei solchen Workshops nicht die Gefahr, dass die Teilnehmerinnen auf den Sonderstatus «Frau auf der Bühne» zurückgeschrieben werden?
Nein, denn genau das ist die Idee von Empowerment, was so viel wie Ermächtigung heisst. Die jungen Frauen werden professionell gecoacht, können Bühnenerfahrung sammeln und ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln, das ihnen später auch in gemischten Formationen hilft, sich besser zu behaupten. Dazu ist es sinnvoll, solche Workshops im geschützten Rahmen anzulegen.
Viele männliche Veranstalter und Booker sagen, sie würden rein auf Qualität und nicht auf das Geschlecht achten. Was denken Sie über diese Haltung?
Der Anspruch an Qualität ist richtig. Aber Qualität hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Es geht ja nicht darum, Frauen zu buchen, weil sie Frauen sind. Es geht darum, Zeit in die Recherche zu investieren, um die qualitativ hochstehenden Frauen zu finden.
Veranstalter von sehr männlich geprägten Festivalprogrammen werden den Empowerment Day wohl kaum besuchen. Wie erreichen Sie jene, die die Nachhilfe dringend nötig haben?
Veränderungen lassen sich nicht von heute auf morgen erzwingen, sondern bedingen kontinuierliche Sensibilisierungsarbeit. Wir machen Beispiele sichtbar, liefern Vorbilder, vernetzen und stossen mit Workshops, Podien und Konzerten die Diskussion über Gleichstellung voran. Und dann setzten wir auf den Dominoeffekt.
Das Gespräch führte Theresa Beyer.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 16.6.2017, 17:15 Uhr