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Musik Geheimarchiv zeigt: Dylan schrieb drei Bücher voll für ein Album

Das private Archiv Bob Dylans kommt ins Museum: in Oklahoma. 6000 Dokumente, Musik- und Videoaufnahmen hat Dylan an die Universität Tulsa verkauft – bislang haben nur Eingeweihte von der Existenz gewusst. Musikjournalist Martin Schäfer sieht darin eine typische Unbescheidenheit.

Ein riesiges Privatarchiv der Folk- und Rock-Ikone Bob Dylan mit mehr als 6000 Stücken hat im US-Bundesstaat Oklahoma einen festen Platz gefunden. Die Universität in Tulsa und die George Kaiser Family-Stiftung gaben am 2. März den Erwerb der Dylan-Sammlung bekannt.

Zu den Exponaten gehören Manuskripte, persönliche Gegenstände, Notizbücher, bisher unveröffentlichte Film- und Musikaufnahmen, Fotos und Instrumente aus Dylans fast 60-jähriger Laufbahn. Ein Beispiel aus dem Schatz: Ein sagenumwobenes Notizbuch in dem der Meister an den Texten des Albums «Blood on the Tracks» von 1975 feilte. Bisher dachte die Fangemeinde, dass es sich um ein Büchlein handele. Jetzt stellt sich heraus – es sind drei, die tiefe Einblicke in die Entwicklung der Songs geben.

Ein Zuhause neben seinem Idol

Doch warum geht die Sammlung nach Tulsa? Warum nicht New York, wo Dylan seine grosse Zeit hatte, oder nach Minnesota, wo Dylan aufwuchs? Die Antwort gibt der Meister gleich selber: In einer Mitteilung sagt er, dass dort, neben den Werken von Woody Guthrie, auch wichtige Artefakte der indianischen Urbevölkerung Amerikas lagern. Dass seine Arbeit daneben ein Zuhause finde, sei für ihn eine Ehre und mache Sinn.

Martin Schäfer

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Der langjährige SRF-Musikjournalist ist Mitbegründer von Radio SRF 3 und war Musikredaktor und Macher der Sendung «Blues Special». Darüber hinaus ist er einer der bekanntesten Dylanologen der Schweiz. Er unterrichtet heute als Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Der Musikjournalist Martin Schäfer fügt hinzu: «Dylan ist ein absoluter Geschichtsfreak, ihm ist der Kontext sehr wichtig und bewusst. Man könnte durchaus sagen, in typischer Unbescheidenheit stellt sich Dylan neben Traditionen, die ihm wichtig sind.»

Der amerikanische Musiker Woody Guthrie gehört zu den frühen Idolen Dylans. Nachdem er in jungen Jahren eine Autobiografie Guthries gelesen hatte, war es um ihn geschehen. Als Dylan 1961 nach New York kam, soll er dem Publikum bei einem Auftritt gesagt haben: «Ich bin durchs Land gereist, auf den Fussspuren Woody Guthries.» Auf seinem Debutalbum heisst somit auch ein Lied: «Song to Woody».

Ernsthafte Nachlasspflege

Nach Mitteilung der Universität soll die Sammlung für Forschungszwecke und zukünftig auch durch Ausstellungen für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Die «New York Times» schätzte den Kaufpreis auf 15 bis 20 Millionen Dollar. Andere Quellen Sprechen von einem eigentlichen Wert von 60 Millionen Dollar.

Mann mit Gitarre in einem Tonstudio.
Legende: Bob Dylan bei den Aufnahmen von «Bringing It All Back Home», 1965. Getty Images

Das lässt vermuten, dass es Bob Dylan wichtiger ist, einen geeigneten Patz für ein Archiv zu finden, als Profit zu schlagen. Musikjournalist und Dylonologe Martin Schäfer sieht darin einen wohlüberlegten Schachzug: «Er hat das Material nicht dem Meistbietenden verkauft, sondern hat geschaut, wo kommt das hin und was passiert dort damit. Das ist ernsthafte Nachlasspflege.»

Die Erwartungen an den Fund sind gross. Erst im Herbst 2015 veröffentlichte Dylan die gesammelten Aufnahmen der Jahre 1965-1966. Musikjournalist Schäfer fasst zusammen: «Die Aufnahmen, die im Rahmen der Bootleg-Series zugänglich gemacht worden sind, sind noch kaum verdaut. Es ist hoch spannend wie man da nachverfolgen kann, wie ganz essentielle Werke entstanden sind, wie sie umgearbeitet worden sind.»

Ein Knüppel zwischen die Beine

Was sich Martin Schäfer jedoch auch vorstellen kann: «Vielleicht wirft Dylan auch auf typisch dyloneske Weise der ganzen Gemeinde einen Knüppel zwischen die Beine und will damit etwas sagen wie: Ok. Ihr habt gedacht, ihr habt die Übersicht, da ist noch viel mehr. Beisst Euch die Zähne daran aus.»

Dylan-Fans müssen noch ungefähr zwei Jahre warten, solange soll die Archivierung und Digitalisierung dauern. Aber schon jetzt ist klar: Die Dylonforschung nimmt so schnell kein Ende. Der Meister selbst arbeitet daran, dass es immer neues Futter gibt, das darauf wartet analysiert und aufgeschlüsselt zu werden.

Sendung: SRF 2 Kultur, Kulturnachrichten, 3.3.2016, 6.02 Uhr.

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