Wenn Joshua Bell spielt, ist man vom ersten Ton an gebannt. Schönheit, Brillanz, Makellosigkeit – einem goldenen Faden gleicht sein Klang. Das liegt aber nicht nur an seinem Können, sondern auch an seinem Instrument. Bell spielt eine der kostbarsten Stradivaris, die es gibt. Und es ist nicht seine erste.
«Ich hatte das Glück, mir mit 19 Jahren eine ‹günstige› Stradivari kaufen zu können», sagt er. Er habe hart dafür arbeiten müssen und lange sparen, bis er sich seine jetzige Stradivari leisten konnte. «Ich habe viel Kraft investiert, um sie kaufen zu können. Doch jetzt ist es ein grossartiges Gefühl. Ich muss sie niemandem zurückgeben. So ein Instrument zu besitzen, ist etwas ganz Besonderes. Und es ist wahrscheinlich die grösste Errungenschaft in meinem Leben, auf die ich sehr stolz bin.»
«Volle Konzentration» für klassische Musik nötig

Mit seiner Stradivari stellte sich der weltberühmte Geiger 2007 in die Washingtoner U-Bahn, mitten im Berufsverkehr. Der Grammy-Gewinner spielte – als Strassenmusikant verkleidet – Musik von Johann Sebastian Bach, tausende Pendler eilten an ihm vorbei. Das Ganze war von der US-Tageszeitung «Washington Post» angezettelt worden, die dafür den Pulitzer-Preis gewann. «Durch dieses Experiment wurde mir klar, wie sehr klassische Musik heute benutzt wird», sagt Joshua Bell. «Man spielt sie in Restaurants und Aufzügen so nebenbei ab, das deprimiert mich. Dafür ist sie nicht komponiert worden. Doch es zeigt auch etwas, was ich schon immer wusste: Klassische Musik, Musik, die dein Gehirn beansprucht, erfordert volle Konzentration.»
Seither wird er vor allem mit diesem Experiment in Verbindung gebracht. Er gilt als der Weltstar, den keiner in der U-Bahn erkannt hat – als wäre das ein Makel. Es brachte ihm aber auch Millionen Klicks im Netz. Vor Kurzem variierte er mit jungen Musikern diesen Test. Diesmal wollte sich keiner das Spektakel entgehen lassen. «Ich dachte mir, warum nicht wieder mit Bach in die U-Bahn?», erinnert sich Bell. «Doch dieses Mal wollte ich, dass es angekündigt wird. Es wäre doch lustig, den Unterschied zu sehen und das Ganze in eine schöne Erfahrung umzuwandeln. Doch ich war dann schockiert, als tausende Menschen kamen. Es hätte ja auch wieder ein Flop werden können.»
Der Purist unter den Geigern
Joshua Bell ist einer, der sich auf fast jeden Gag, jeden Marketingtrick einlässt, wenn es darum geht, für die klassische Musik ein junges Publikum zu gewinnen. Im Konzertsaal aber ist er Purist. Auch in Salzburg, wo er häufig vor dem wohl verwöhntesten Publikum spielt. Dort feiern sie ihn allein wegen seines Spiels. Er freue sich immer, etwas zu tun, was die klassische Musik aus dem Club des Elitären befreie, so der Geiger. «Wenn es einen Weg gibt, mit ernsthafter Musik eine Brücke zu schlage, dann tue ich das. Natürlich gibt es Leute, die glauben, klassische Musik muss verändert und muss verwässert werden und sie legen irgendwelche Beats darunter, weil sie glauben, dass die Masse das gut findet. Das glaube ich nicht.»
Joshua Bell sagt: «Jede Note ist in der klassischen Musik konstruiert, nichts ist Zufall. Sie ist schönste Architektur und Bachs Werke sind der Inbegriff perfekt gebauter Musik.» Das Leben sei voller Chaos, doch wenn man Bach höre, fühle man, alles ist an seinem richtigen Ort. Die Schönheit und Symmetrie von Bachs Kontrapunkt sorge dafür. «Man hat das Gefühl, bei etwas Grossartigem dabei zu sein.»
Seine andere Seite: eine Spielernatur
Joshua Bell weiss aber auch zu leben und teilt nicht nur die «himmlische» Musikerfahrung mit grossen Komponisten und Musikern, sondern auch etwas anderes, eine gewisse Schwäche, wie er entwaffnend offen zugibt: «Ich gebe zu, ich bin ein Spieler. Das fängt schon in meiner Familie an. Meine Mutter und meine Schwester lieben es, nach Las Vegas zu fahren, wir machen regelrechte Familienausflüge dorthin. Ich weiss nicht, ob es ein spezielles Laster von Geigern ist. Doch Paganini war ein Spieler, Wieniawski verspielte eines seiner Instrumente, auch Mozart soll gespielt haben. So schlimm bin ich nicht, meinen teuersten Besitz würde ich niemals aufs Spiel setzen.»
Joshua Bell, der geniale Geigenvirtuose, der sich nicht zu fein ist, die Konzertsäle zu verlassen und sich für Experimente inszenieren zu lassen: Mit Leichtigkeit entführt er uns in eine Klangwelt, die uns allzu oft zu kompliziert und zu komplex erscheint.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei 3sat.de, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen.
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