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Musik Grönemeyer: «Ich mache mich in meinen Liedern besser als ich bin»

Seine Stimme: Ein Grollen und Schmettern. Seine Alben: 14 Millionen Mal verkauft. Diese Tage wird Herbert Grönemeyer 60. Grönemeyer hat in seinem Leben schwere Schicksalsschläge erlitten. Heute sagt er: Das Leben habe sich ihm wieder unter die Füsse geschoben.

In Grönemeyers Liedern geht es immer wieder ums Ganze: um die Not, die der Mensch in sich trägt, aber ebenso um die Liebe, diesem wohl grössten Glück und gleichzeitig potentiell tiefsten Schmerz, der uns Menschen während unserer irdischen Existenz widerfahren kann. Herbert Grönemeyer kann davon Lieder singen. 1998 starb seine Ehefrau Anna Henkel, vier Tage nachdem sein Bruder einem Krebsleiden erlegen war.

Der Mensch ist farbig

Sein Album «Mensch» erschien 2002. Bis heute ist es das meist verkaufte deutsche Album überhaupt. «Mensch» ist gezeichnet von der Überdimensionalität dieser Schicksalsschläge und der Gefühlstaubheit, die diese bei Grönemeyer auslösten. Was geschieht mit einem Menschen, wenn er vom Leben derart gezeichnet wird?

Er erhält eine Farbe, die er zuvor nicht hatte, so Grönemeyer metaphorisch. Der Mensch an sich sei ein ganz farbiges Wesen und Notlagen, wie er sie erlebt habe, addieren zum Grundton der Person eine neue Nuance, erklärt Grönemeyer. Aber sie machen einen auch angstfreier, betont er, denn das Leben relativiere sich dadurch.

Herbert Grönemeyer macht das Peace-Zeichen.
Legende: Der Mensch sei ein farbiges Wesen, sagt Grönemeyer. Notlagen trügen dazu bei. Keystone

Diese Relativierung ist auch ausschlaggebend für den Titel seiner neuesten Platte «Dauernd Jetzt»: Was zählt, ist einzig der Moment – und der soll so gestreckt werden, dass beinah jeder Augenblick greifbar wird.

Auf den Zahn gefühlt

Über die Trauer hinaus fühlt Grönemeyer in seinen Alben immer auch dem Menschen an sich auf den Zahn. Er will verstehen, was denn das Wesen Mensch ist, was ihn «am Strand des Lebens» ausmacht und bewegt. Der Mensch ist für ihn vor allem eines: ein Gemeinschaftswesen.

Diese Überzeugung hat er von seinem Vater gelernt, der ihn stets daran erinnerte: «Das Wichtigste im Leben sind Freundschaften!» Entsprechend sagt Grönemeyer, dass Selbsterkenntnis nur durch Beziehungen möglich sei. Denn Menschen komplettierten und spiegelten sich gegenseitig, würden erst vollständig durch Andere.

Grönemeyer, die Kunstfigur

Grönemeyer betont immer wieder die Diskrepanz zwischen ihm als Privatmensch und öffentlicher Person. Im Gespräch gesteht er: «Ich mache mich in meinen Liedern besser als ich bin!» So seien seine Texte «verklausulierte Themen» die ihn zwar beschäftigten, aber dann künstlerisch hochstilisiert würden.

Genauso beschreibt Grönemeyer auch sein öffentliches Ich. Im Allgemeinen gilt der Sänger als überaus authentisch und zugänglich. Doch er selbst sagt, dass dasjenige, was die gemeine Öffentlichkeit von ihm zu sehen bekomme, eine Kunstfigur sei – ein Spielfilm.

Genau genommen stilisiere er diese scheinbare Authentizität und strapaziere seine Echtheit immer wieder bis ans äusserste Limit. Erst dadurch könne die Präsenz eines Künstlers entstehen, beteuert Grönemeyer. Denn: «Jeder Mensch braucht zum Überleben sein intimes Sperrgebiet.»

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