Er war ein visionärer junger Mann mit einer enormen Leidenschaft für Jazzmusik. Und er machte aus dem verschlafenen Touristenort Montreux am Lac Léman ein Musikmekka. Die Dokumentarserie «They All Came Out to Montreux» widmet sich der Geschichte und dem Lebenswerk des 2013 verstorbenen Claude Nobs.
Dass das Montreux Jazz Festival einzigartig sein soll, wusste Claude Nobs von Anfang an: «Ich wollte nie nur eine Zwischenstation auf den Tourneen und Festivals sein, die Künstler in ganz Europa veranstalten. Ich habe versucht, die Künstler dazu zu bringen, länger als einen Tag zu bleiben, vielleicht sogar drei Tage.»
Das gelang Claude Nobs. Er lud die Musikerinnen und Musiker immer auch zu sich ein. Zuerst in seine Wohnung, später dann in sein Chalet in Caux, hoch über Montreux. Claude Nobs, der zuerst eine Ausbildung als Koch machte, umsorgte seine Gäste auch kulinarisch und baute besondere Beziehungen zu ihnen auf. Und er brachte die Künstler dazu, auch einmal zusammen ins Studio zu gehen.
Alle Konzerte auf Video
Seine Beziehungen zu grossen Musiklabels und zu Musikgrössen wie Quincy Jones machten Claude Nobs so einzigartig. Er hatte früh erkannt, dass die Konzerte des Festivals nur dann unsterblich sind, wenn sie in Bild und Ton festgehalten werden. Daraus entstand ein enormes Archiv aus den bislang 55 Ausgaben des Festivals.
Inzwischen hat die ETH Lausanne (EPFL) das audiovisuelle Archiv des Festivals vollständig digitalisiert. Die Sammlung wurde 2013 ins Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen.
Aus diesem Erbe konnte der englische Regisseur Oliver Murray für die dreiteilige Dokumentar-Serie schöpfen. Er lernte so während des coronabedingten Lockdowns die Geschichte des Montreux Jazz Festivals kennen. Denn er selbst habe das Festival nie besucht, wie er sagt.
Legendäre Geschichten
So stiess Murray im Archiv auf die legendären Geschichten, die in Montreux geschrieben wurden. Etwa den Brand von 1971, als während eines Konzerts von Frank Zappa das Casino abbrannte. Das inspirierte die Band Deep Purple zu den berühmten Akkorden von «Smoke on the Water».
Im Songtext hat auch «Funky Claude» einen Platz – und die Textzeile «They All Came Out to Montreux» wurde zum Titel der Serie. «Das war Claudes Leben, das in Flammen aufging», erinnert sich Roger Glover, Bassist von Deep Purple in der ersten der drei Episoden.
Die Serie zeichnet nach, wie sich das Jazzfestival für immer neuere Musikstilrichtungen öffnete: Rock, Reggea, später Rap und elektronische Musik. Und doch kehrten die alten Grössen wie Jazz-Pianist Herbie Hancock oder Blues-Ikone Buddy Guy immer wieder zurück, gaben Konzerte und spielten Jam-Sessions.
Zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Die Serie zeigt auch die schwierigen Jahre, als sich das Musikbusiness rasant veränderte und Claude Nobs seine Mühe hatte, sich anzupassen. Als das Festival so ambitiös aufgegleist wurde, dass die Finanzen in den roten Bereich kippten. Die Dokumentarserie zeigt vor allem auch: Montreux und Claude Nobs sind immer noch untrennbar verbunden.
Die reiche Geschichte ist für ein innovatives Festival, das stets neue Musik sucht und nach vorne schaut, nicht nur einfach – besonders für die heutige Festivalleitung um Mathieu Jaton. «Das Festival will nach vorne schauen, aber Claude ist eine so prägende Figur, dass man nicht umhinkommt, auch zurückzublicken», sagt Regisseur Oliver Murray.
Auch neun Jahre nach seinem Tod steht Claude Nobs noch immer in der Hauptrolle in Montreux. Das zeigt die Doku-Serie deutlich.