«Gstaad Digital Festival» nennt das Menuhin Festival seine neue digitale Plattform. Zehn Konzerte von den letztjährigen Ausgaben sind darauf zu finden. Beim diesjährigen Eröffnungskonzert konnte man sogar virtuell dabei sein – via Live-Stream.
Näher an der Klassik
Ziel der Plattform ist es, «dass das Publikum dem Festival, den Künstlern und auch der Musik näher kommt», sagt die Verantwortliche der Plattform Christina Ruloff.
Das will das Menuhin Festival neben Konzerten und dem Live-Stream mit kurzen Videos zu den Künstlern erreichen.
Der israelische Mandolinist Avi Avital etwa spricht über sein Programm : «Bachs Kompositionen sind göttlich und absolut. Es ist sehr sinnbildlich für mich, sie zu spielen». Sinnbildlich wofür? Das erfährt das Publikum nicht.
Ein bisschen Witz würde nicht schaden
Da liegt ein Schwachpunkt der Videos: Sie sind nicht immer inhaltlich pointiert. In vier Minuten könnte man mehr erzählen und tiefer in die Gefühlswelt der Künstler eindringen. Manchmal ist Bild und Ton auch nicht ganz synchron und die Ausleuchtung nicht optimal. Etwas Witz würde auch nicht schaden.
Das sind Kleinigkeiten in der Umsetzung. Die Idee an sich ist gut. Und notwendig. Dass klassische Künstler in Bild und Ton über ihre Arbeit berichten: Das ist in der heutigen Medienwelt selten geworden.
Gute PR – wohlwollende Kritik?
Das Menuhin Festival schliesst hier eine Lücke – selbstverständlich nicht zuletzt auch in eigener Sache, als gute PR.
Stutzig machen die Videos von etablierten Musikkritikern. Das Menuhin Festival hat etwa Christian Berzins von der NZZ am Sonntag für das Eröffnungskonzert von Vilde Frang gebucht und das Video am nächsten Tag hochgeladen.
Vier Tage nach der Veröffentlichung dieser Kritik schreibt Christian Berzins auch in der NZZ am Sonntag einige begeisterte Zeilen zum Eröffnungskonzert. Journalistisch nicht ganz lupenrein, diese Doppelrolle – einmal für ein kritisches Medium, einmal für eine PR-Plattform.
Wäre ein Verriss möglich?
Der wichtigere Punkt aber ist: Hätte der Kritiker der NZZ am Sonntag das Konzert verreissen können, wenn es nicht gut gewesen wäre? Christian Berzins sagt auf Anfrage: «Die Absprache ist: Wenn es schlecht ist, dann wird kritisiert.»
Ein Eigentor für das Festival – ob es das tatsächlich zulässt? Kaum vorstellbar. Aber das wird sich in den Kritiker-Videos zeigen, die das Festival in den nächsten Wochen hochlädt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 26.07.2017, 07:20 Uhr.