Mit einer CD von 2009 kommt die Karriere von Tobias Preisig in Schwung. Sie trägt den ironischen Titel «Rössli Hü», allerdings auf Englisch «Little Horse – Ho». Das Duo, das dem Spielzeugpferdchen die Sporen gab, bestand aus dem Altmeister George Gruntz am Piano und einem geigerischen Jungspund, der schon mit anderen Projekten auf sich aufmerksam gemacht hatte: Tobias Preisig. Das Selbstbewusstsein des 27jährigen Geigers und sein souveräner Umgang mit dem Material liessen aufhorchen: Die Jazzgeige bekam eine neue Stimme.
Singendes, dringliches Spiel
Das Duo mit dem erfahrenen Komponisten und Meisterarrangeur George Gruntz war ein Glücksfall für Preisig. Dass er sich nicht einfach an einen grossen Namen «dranhängte», zeigt schon die Auswahl der Stücke auf der CD «Little Horse – Ho». Fast die Hälfte davon stammt von Preisig selbst. Darunter auch zwei Titel, mit denen der junge Geiger explizit Bezug nimmt auf seine Wurzeln im Appenzellischen: «Zäuerli».
Geboren ist er zwar in Zürich. Aber als Improvisator nach Gehör hat Preisig sein Instrument zuallererst erkundet. Er kommt aus der ostschweizerischen Volksmusik-Tradition. An der Swiss Jazz School in Bern, danach in New York holt er sich sein Rüstzeug als Jazzmusiker. Und er findet zu seinem eigenen Ton. In Paris schlägt er sich ein halbes Jahr lang durch, um dann, zurück in der Schweiz, 2004 sein erstes Quartett zu gründen und eine Debut-CD aufzunehmen.
Nach dem Jazz: die klassische Violine
Doch kaum ist die CD «Chapter One» erschienen, genügt Preisig sich selbst nicht mehr als Geiger. Er startet noch mal von vorn, als Student der klassischen Violine an der Hochschule in Zürich. Das bedeutet drei Jahre lang Klassik-Studium: Etüden, Konzerte, Kammermusik. Seine Jazz-Projekte vernachlässigt er trotzdem nicht: Als Mitbegründer des improvisierenden «Kaleidoscope String Quartet» erkundet er bis 2012 die Gebiete zwischen Jazz und Klassik.
Unendlicher Atem
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Auf einer Tour durch Japan und China stellt das Tobias Preisig Quartet sich erstmals dem Publikum in Fernost vor. Im Gepäck die neue CD «In Transit». Zwei Tracks auf dieser CD geben einen Schlüssel zu Preisigs Klangforschung. Sie orientiert sich existenziell am Atem: «Infinite inhale» und «infinite exhale» sind die Stücke betitelt.
Auch im Gespräch mit Musikredaktor Benjamin Herzog benennt der Geiger diese Inspirationsquelle ganz deutlich. Ursprünglich war es der Klang des Bandoneons, der ihn sehr faszinierte. Die Luft im Klang der Tangomusiker, ihr grosser Atem wird für Preisig zum Vorbild. Auch der luftige Klang mancher Jazztrompeter inspiriert ihn zu dem leicht wischenden Geigenstrich, der ihm zu Gebote steht. Genauso wie zahllose andere Klangfarben, schrille Töne und rockige Sounds.