Ragtime, Charleston, Foxtrott: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten sich in Städten wie New Orleans, Chicago und New York neue Klänge und Rhythmen zu einem Musikstil, der später als Jazz bezeichnet werden sollte. Gespielt wurde er vor allem von Afroamerikanern.
In New York machte sich James Reese Europe als Komponist und Bandleader einen Namen. Mit seinem Orchester schaffte er es bis in die berühmte Carnegie Hall.
Europe wurde 1881 im Bundesstaat Alabama, im Süden der USA geboren. Er war ein klassisch ausgebildeter Musiker, der komponieren und organisieren konnte. Als sich die USA 1917 dazu entschlossen, Truppen in den 1. Weltkrieg zu schicken, meldete er sich freiwillig.
Krieg der Unterdrückung
Der Einsatz von schwarzen US-Amerikanern war eigentlich unerwünscht. Schliesslich verständigte man sich darauf, dass sie nur in einer eigenen Einheit kämpfen sollten, nicht Seite an Seite mit den Weissen.
So entstand das 369. Infanterieregiment, die sogenannten Harlem Hellfighters, das ausschliesslich aus Schwarzen bestand.
Einige Musikerkollegen reagierten geschockt auf die Nachricht, dass James Reese Europe in den Krieg ziehen wollte und baten ihn, zu bleiben. Der aber hatte eine klare Haltung: «Mein Land hat mich gerufen und mich muss antworten.»
Wie so viele andere Schwarze, verband er mit dem Einsatz die Hoffnung, der Diskriminierung in den USA ein Ende zu setzen.
Die Musiker mit den Gewehren
Reese Europa war kein einfacher Soldat. Als Leutnant der Harlem Hellfighters wurde er gebeten, eine eigene, 65 Mann starke Militärkapelle für das Regimezu gründen.
Er bekam viel Geld, um sich die besten Musiker auszusuchen. Bis nach Puerto Rico haben ihn seine Rekrutierungsversuche geführt.
Der Aufwand hat sich schnell ausgezahlt: Als die Harlem Hellfighters am Neujahrstag 1918 in der Bretagne ankamen, staunten die Menschen nicht schlecht. Die Band von James Reese Europe spielte die französischen Nationalhymne, die «Marseillaise», mit ungewöhnlich frischem Drive.
Neu für Frankreich
Die Begeisterung der Franzosen für die einzige afroamerikanische Truppe aus den USA sollte sich in den nächsten Monaten fortsetzten: Das US-Militär gliederte das 369. Infanterieregiment an die französische Armee an, weil die weissen US-Truppen nicht gemeinsam mit Schwarzen kämpfen wollten. Bei der französischen Armee hingegen wurden die Soldaten geschätzt und waren im Kampf erfolgreich.
Die Harlem Hellfighters Band präsentierte den Franzosen zudem eine Mischung aus Blues, Gospel, Marschmusik, Klassik und jeder Menge Rhythmus – eine Musik, die sie noch nie gehört hatten.
«Wir spielen die Musik zwar so, wie sie geschrieben ist, aber auf die typisch afroamerikanisch synkopisierte Art und Weise», erklärte Europe den Erfolg seiner Kapelle
Im Ausland gefeiert, zuhause diskriminiert
Auch Europe und seine Band waren wochenlang an der Front: Europe selbst wurde bei einem Giftgaseinsatz verletzt. Er liess sich angeblich sogar ein Klavier an die Gefechtslinie bringen, um die Soldaten aufzumuntern.
Dann wieder spielte seine Band in Lazaretten, Kasernen, aber auch in Opernhäusern und Theatern. Sie versetzte Soldaten und Zivilisten gleichermassen in Verzückung. Die Franzosen waren begeistert.
Als der Krieg im November 1918 endete, wurden die Harlem Hellfighters in Frankreich als Helden gefeiert. Als schwarze US-Amerikaner hatten sie sich für ihr Land eingesetzt, aber ihre Hoffnung, nun auch in der Heimat als gleichberechtigte Bürger behandelt zu werden, erfüllte sich nicht.
An der Diskriminierung der Schwarzen änderte sich fast nichts. Das allerdings hat James Reese Europe nicht mehr erlebt, denn er wurde nur wenige Monate nach seiner Rückkehr vom Schlagzeuger seiner Band erstochen.