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Harlem Renaissance Wie die afroamerikanische Bewegung die Kulturszene aufwirbelte

In den Roaring Twenties zündete im New Yorker Stadtteil Harlem ein kulturelles Feuerwerk, das afroamerikanische Identität feierte – und bis heute nachhallt.

Die Sklaverei war gerade mal 50 Jahre abgeschafft, doch der Rassismus grassierte weiterhin. Da wollte die Harlem Renaissance zwischen den beiden Weltkriegen schwarze Identität neu erfinden. Es gelang ihr so überzeugend, dass sich afroamerikanische Kulturschaffende und Aktivisten noch heute auf die Bewegung und ihre Protagonisten berufen.

So zum Beispiel die junge Lyrikerin Amanda Gorman. Sie las im Januar 2021 bei der Amtseinführung von Joe Biden und verneigte sich mit ihrem Poem «The Hill We Climb» auch vor Langston Hughes. Der forderte in seinen Gedichten immer wieder Würde und Gleichheit für Schwarze.

Lyrikerin Amanda Gorman spricht bei Bidens Amtseinführung am Pult.
Legende: Amanda Gorman schrieb ihr Gedicht in den Wochen nach den US-Präsidentschaftswahlen 2020, wobei bedeutende Passagen auf den Sturm auf das Kapitol in Washington referenzieren. IMAGO / Lagencia

Ein anderes Beispiel waren die afroamerikanischen US-Schriftstellerinnen Toni Morrison und Alice Walker. Sie entdeckten in den 1970er-Jahren Zora Neale Hurston für sich und sahen in ihr die wichtigste Inspiration für das eigene Schreiben. Morrison und Walker sorgten dafür, dass Hurstons Roman «Their Eyes Were Watching God» von 1937 heute in vielen Teilen der USA Schullektüre ist.

Auf der Suche nach den Wurzeln

Beide, Langston Hughes und Zora Neale Hurston, gehörten zu den führenden Köpfen der Harlem Renaissance. Sie waren befreundet und teilten auch volkskundliche Interessen: Die durch die Sklaverei kollektiv geraubte Identität und Kultur sollte zurückerobert werden.  

Zora Neale Hurston betrieb als ausgebildete Anthropologin Feldforschung, unter anderem zum «Black Speech», und gilt als Pionierin einer vom afroamerikanischen Dialekt geprägten Literatur.

Langston Hughes unternahm lange Reisen nach Afrika, auf der Suche nach seinen Wurzeln und nach Lebensbedingungen, die nicht wie in den USA von Rassendiskriminierung dominiert waren. 

Eine Bewegung ohne Patina

Wie Zora Neale Hurston begegnete er Rassismus unbeirrt und mit Humor. Sie schrieb einmal: «Ich nehme mir Rassenvorurteile nicht zu Herzen. Ich möchte mich nicht selbst vom Leben aussperren.» Er stellte in einem Gedicht von 1926 schlicht fest: «I, too, am America».

Langston Hughes' berühmtes Gedicht «I, Too»

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I am the darker brother.

They send me to eat in the kitchen.

When company comes,

But I laugh,

And eat well,

And grow strong.

-

Tomorrow,

I'll be at the table

When company comes.

Nobody'll dare

Say to me

«Eat in the kitchen,»

Then.

-

Besides,

They'll see how beautiful I am

And be ashamed-

-

I, too, am America.

«I, Too» ist zur afroamerikanischen Hymne geworden, wie viele Gedichte von Langston Hughes, die direkt ins Herz treffen und zeitlos schön sind. Und die Harlem Renaissance wirkt bis heute aufregend aktuell und hat keine Patina angesetzt.

Harlem: Hotspot auch für Weisse

Von 1918 bis zum Börsenkrach 1929 war Harlem mit seinem reichen Party- und Kulturangebot ein Hotspot für Weisse. Mit teils bizarren Folgen: Im «Cotton Club» zum Beispiel, einem der berühmtesten Nachtclubs damals, spielten schwarze Musiker wie Louis Armstrong oder Duke Ellington, tanzte Josephine Baker, sang Bessie Smith – aber schwarzes Publikum war nicht zugelassen.

Duke Ellington am Piano
Legende: Die auftretenden afroamerikanischen Kunstschaffenden mussten sich im «Cotton Club» in das gewünschte Bild einfügen: So wurde etwa von Duke Ellington erwartet, «Dschungelmusik» zu spielen. IMAGO / Cinema Publishers Collection

Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis Schwarze in den USA gleichberechtigt wurden. Aber mit der Harlem Renaissance fing es an: Sie inspirierte mit ihren gesellschaftspolitischen Debatten die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre und alle weiteren Diskurse. Und sie trug mit ihrer kreativen Exzellenz afroamerikanische Kultur in die Welt.

Radio SRF 2 Kultur, Passage, 17.03.2023, 20:00 Uhr

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