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Johann Sebastian Bachs Töchter
Aus Kontext vom 07.04.2021. Bild: IMAGO / United Archives International
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Historischer Roman «Bachs Töchter könnten doch genauso talentiert gewesen sein»

Johann Sebastian Bachs Musikersöhne kennt man. Was war mit seinen Töchtern? Carola Moosbach erzählt ihre Geschichte in Romanform.

Die Bachs gehören zu den berühmtesten Musikerfamilien der Welt. Vier Bach-Söhne treten in die Fussstapfen ihres Vaters. Johann Sebastian Bach hatte aber auch Töchter – ihnen widmet die Bach-Kennerin und Autorin Carola Moosbach einen Roman. Ein feministischer Blick auf barocke Zustände.

Carola Moosbach

Carola Moosbach

Autorin

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Carola Moosbach is Juristin und gleichzeitig seit 20 Jahren als freie Schriftstellerin tätig.

SRF: Von den vier Bach-Töchtern kennen wir nicht viel mehr als ihren Namen und ihre Lebensdaten. Warum?

Carola Moosbach: Als die Bachforschung im 19. Jahrhundert losging, waren Frauen nicht so wichtig. Also hat man hat sich auf die Söhne konzentriert, die zu Lebzeiten zum Teil berühmter waren als der Vater.

Ich finde das enttäuschend. Das Interesse an den Bach-Frauen hört sofort auf als Bach stirbt. Aber Dorothea, Elisabeth, Johanna und Regina hatten ja ihr eigenes Leben.

Die Töchter könnten doch genauso talentiert gewesen sein.

Ihr Roman setzt genau hier an: Bachs Tod im Jahr 1750 verändert alles im Leben der Bach-Frauen, ihr Einkommen bricht weg. Wie haben die sogenannten «Bachinnen» ihr Leben bestritten?

Bachs Musik galt teilweise schon zu dessen Lebzeiten als gekünstelt und veraltet. Darum liessen sich die geerbten Noten nur schlecht verkaufen und die Töchter galten auch vom Status her nicht mehr besonders viel. Das war Pech.

Die Stadt Leipzig sah sich immerhin in einer Art Almosenpflicht den Bach-Frauen gegenüber. Nur reichte das nicht, um davon zu leben. Womöglich haben sie Noten kopiert.

Man weiss, dass Bachs Frau, Anna Magdalena Bach, ihren Mann aktiv beim Notenkopieren unterstützt hat. Das konnte von zu Hause aus erledigt werden, war also auch für Frauen möglich.

Das Buch: Feministische Sicht auf barocke Zustände

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Leipzig, 1750. Der Thomaskantor Johann Sebastian Bach wird zu Grabe getragen. Für seine Witwe Anna Magdalena Bach und die vier Töchter beginnt nun ein neues Leben.

Die Schriftstellerin und Bachkennerin Carola Moosbach (*1957) begleitet die Bachinnen über fünf Jahrzehnte und lässt uns in die damalige Zeit eintauchen. Wir erleben mit, wie der Siebenjährige Krieg die Hilfsbedürftigen in Leipzig besonders hart trifft und wie später die revolutionären Gedanken aus Frankreich ins biedere Sachsen schwappen.

In all dieser Zeit meistern die meistern die Bach-Frauen ihr Schicksal mit grossem Einfallsreichtum und Durchhaltevermögen – eine feministische Sicht auf barocke Zustände.

Vier Bach-Söhne wurden Komponisten, seine Frau Anna Magdalena war eine berühmte Hofsängerin, bevor sie geheiratet hat. Haben Sie einen Hinweis gefunden, dass auch die Töchter Musik gemacht haben?

Das ist in meinem Roman reine Spekulation. Aber da alle Söhne das Talent des Vaters geerbt haben und Musiker geworden sind, dachte ich: Die Töchter könnten genauso talentiert gewesen sein. Es spricht nichts dagegen.

Nesthäkchen Regina steht im Zentrum Ihres Romans. Sie möchte Sängerin werden. Welche Möglichkeiten hatte sie denn, ihre Talente zu entfalten?

Anders als bei ihrer Mutter gab es in Leipzig keinen Hof und in der Kirche durften Frauen damals nicht singen. Überhaupt wurde Musik öffentlich nur von Männern gemacht. Regina bleibt also nur der private Bereich, kleine Hauskonzerte zum Beispiel.

Das ist natürlich ein feministischer Ansatz.

Regina verliebt sich im Roman in einen Choristen der Nikolaikirche. Sie müssen ihre Liebesgeschichte letzten Endes scheitern lassen, denn man weiss, dass nur eine der Bach-Töchter verheiratet war: Elisabeth. Ist Ihnen das schwer gefallen?

Das tat mir unheimlich leid für Regina, denn ich mochte sie am liebsten, sie war mir am nächsten. Aber ich kann nicht die wenigen bekannten Fakten zurechtbiegen, nur damit es schöner endet.

Obwohl Sie sich als Romanautorin im Vergleich zu einer Musikwissenschaftlerin diese dichterische Freiheit hätten nehmen können?

Plausibilität ist für mich das Wichtigste. Ich habe mich auf das beschränkt, was möglich gewesen wäre. Ich finde es wichtig, diesen Frauen nicht rückwirkend unsere Massstäbe überzustülpen.

Buchhhinweis

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Carola Moosbach: Johann Sebastian Bachs Töchter. Historischer Roman. Benno, 2021.

Ihr Roman ist ein Versuch in einer bislang von Männern dominierten Geschichtsschreibung, den Bachinnen wieder Leben einzuhauchen. Steckt dahinter eine feministische Haltung?

Ich bin nicht nur Christin, ich bin auch Feministin. Ich kenne viele passionierte Bach-Liebhaber, die nicht einmal wissen, dass Bach Töchter hatte. Für mich war es schön, in diese Leben einzutauchen und sie lebendig werden zu lassen.

In meiner Vorstellung war das auch eine späte Genugtuung für diese Töchter. Das ist natürlich ein feministischer Ansatz, und das lag für mich auch nahe.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 08.04.2021, 09:03 Uhr

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