Das «Cosmic Girl» gehörte auf jede Party, Acid-Jazz hiess die Musik der Stunde, die Videos liefen auf MTV rauf und runter. Keine Frage: Die Musik von Jamiroquai war der 90er-Jahre-Soundtrack für tausende Teenies.
Dazu kommt, dass Jamiroquai auch Türöffner waren. Viele entdeckten nach Jay Kay, dem Jamiroquai-Frontman, auch dessen Vorbilder: James Brown, Prince oder Stevie Wonder, also die ganz grossen Funk-, Soul- und R’n’B-Meister, aber auch eine Disco-Band wie «Earth, Wind & Fire».
Mit Musik aus der Misere
Jamiroquai waren links und grün. Wenigstens zu Beginn. Jay Kay hatte nicht nur die slicken Tanzmoves drauf, er produzierte auch engagierte Musikvideos und prangerte doppelzüngige Politiker an. Kurz, er trat mit seiner Musik an, die Welt zu retten – schliesslich war die Musik auch seine Lebensretterin gewesen. Als 15-jähriger nahm er Reissaus von zu Hause, geriet in einen Strudel aus Gewalt und Drogen und kam als Obdachloser in einer Messerstecherei beinahe zu Tode.
Die Musik erwies sich als goldener Weg aus der Misere. Der Erfolg war überwältigend, die Single «When You Gonna Learn» brachte den grossen Plattenvertrag, die beiden ersten Alben das grosse Geld.
Weltverbessern war gestern
So erwischt Jay Kay die letzte goldene Ära der Tonträger-Industrie und taucht voll ab in das Leben des Rock-Stars. Was sich auch in seiner Musik bemerkbar macht: Statt um Umweltschutz geht es ab dem dritten Album um Party und schnelle Autos.
Dass Toby Smith, der Keyboarder, oder Bassist Stuart Zender möglicherweise wichtiger waren für die Musik als Jay Kay, geht gerne vergessen. Jay Kay seinerseits vergisst das Weltverbessern, die Band wird austauschbar und Jamiroquai zum Ego-Trip. In der heutigen Band ist von der Ursprungsbesetzung niemand mehr dabei, dafür taucht Jay Kay als Star in der britischen Auto-Show «Top Gear» auf.
Und die Songs? «Wahrscheinlich würde man das heute ein bisschen ausdünnen», meint Produzent und Marc Sway-Bassist Simon Winiger im Gespräch mit SRF. Grundsätzlich funktionieren die Songs aber gut. In sich hatte es vor allem auch das Gesamtpaket: die Musik und dazu die zusammengeklaubten Natur-Weisheiten Indigener Völker, die hippen Videos, das Jamiroquai-Symbolfigürchen, der «Buffalo Man», der auf den ersten Alben auf den Plattencovers prangt.
Nur noch Nostalgie?
Heute polarisiert die Band. Der Bad Boy Jay Kay wirkt aus der Zeit gefallen, und auch wenn die musikalische Formel noch immer funktioniert – auch Teenager entdecken das «Cosmic Girl» wieder neu – so wirkt die Musik doch vorhersehbar.
Die Liebe zu Jamiroquai hat mit Nostalgie zu tun, Jamiroquai hören heisst die eigene Jugend besuchen. Aber wer weiss? Vielleicht kehrt Jay Kay aufs Alter ja so geschmeidig, wie er sich über die Tanzfläche bewegt, zu den Themen seiner Adoleszenz zurück. Die Welt könnte es brauchen.