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Die Geige als Partnerin, Liebhaberstück und Geldanlage
Aus Kontext vom 10.06.2021. Bild: AP Photo/Kin Cheung
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Instrumente als Wertanlage Wenn die Stradivari statt auf der Bühne im Banksafe landet

Mit Streichinstrumenten lässt sich nicht nur Musik machen, sondern auch Kasse. Ein Widerspruch, der immer wieder zu Misstönen führt.

Die Geigen von Stradivari, Amati oder Guarneri gelten als die besten der Welt. Überwältigend ist ihre Schönheit, unerreicht ihre klangliche Qualität. Überwältigend und – für viele – unerreichbar ist auch ihr Preis. Mehrere Millionen Franken kosten die Instrumente der berühmten Geigenbauer.

Die wenigsten Musikerinnen und Musiker können sich ein solches Instrument leisten. Helfen aber kann eine Leihgabe, denn häufig sind diese Instrumente im Besitz von anonymen Eigentümern, Banken oder Stiftungen.

Dem Star-Geiger Frank Peter Zimmermann beispielsweise wird sein Instrument 2002 von der Westdeutschen Landesbank in Nordrhein-Westfahlen in Deutschland zur Verfügung gestellt: die millionenschwere Stradivari-Geige «Lady Inchiquin» aus dem Jahr 1711.

Ein Geiger auf der Bühne
Legende: Zwei, die zusammengehören: Star-Geiger Frank Peter Zimmermann und seine Stradivari «Lady Inchiquin». Keystone

Eine Partnerin fürs Leben

«Sie ist meine Stimme geworden über die Jahre», erzählt Frank Peter Zimmermann. «Das ist, wie wenn man den richtigen Partner gefunden hat fürs Leben.» Zwölf Jahre lang spielt der Musiker die «Lady Inchiquin», baut eine Beziehung zu dem Instrument auf.

Doch 2014 geht die Bank pleite und fordert das Instrument zurück. Sie soll gewinnbringend verkauft werden. Sieben Monate lang verhandelt Zimmermann mit der Bank, 2015 muss er «seine Lady» abgeben.

Er ist zwar ein international erfolgreicher Geiger, kann die gewünschte Summe aber nicht stemmen: «Diese Instrumente sind horrend teuer, weil irgendwelche Reichen da die Chance sehen zu investieren. Und ich wollte mich mit 50 Jahren nicht derart verschulden.»

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«Living in a material world»: Musik zwischen Kulturgut und Ware
aus Kontext vom 10.06.2021. Bild: AP Photo/Guy Oseary
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Der Handel mit den teuren Geigen

Instrumente aus den Händen berühmter Geigenbauer sind einzigartig und versprechen jährliche Wertsteigerungen bis zu 15 Prozent. «Streichinstrumente können also durchaus eine gute Wertanlage sein», sagt Simon Wernly, Geschäftsführer der Maggini-Stiftung in Langenthal.

Doch das Geschäft mit den Musikinstrumenten berge ein Risiko, warnt Simon Wernly: «Wenn man den Leuten sagt, dass das eine bombensichere Anlage ist und man garantierte Gewinne realisieren kann, ist das gefährlich.» Falsche Zuschreibungen oder gar Fälschungen seien ein grosses Problem auf dem Markt.

Die Maggini-Stiftung

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Streichinstrumente bilden einen wesentlichen Teil des viele Milliarden Dollar schweren Markts der Musikinstrumente. Seit den 1960er-Jahren sind die Preise kontinuierlich gestiegen und erzielen jährlich Wertsteigerungen zwischen 8 und 15 Prozent.

Das Angebot reicht von Billig-Modellen, die in China am Fliessband produziert werden, bis zur sogenannten «Lady Blunt», einer Stradivari aus dem Jahr 1721, die 2011 für knapp 16 Millionen Dollar versteigert wurde.

45 Millionen Dollar betrug allein das Startgebot für die Stradivari-Bratsche «Macdonald» bei einer Versteigerung im Jahr 2014. Diese Bratsche gilt damit als bislang teuerstes Musikinstrument der Welt, obgleich sie damals nicht versteigert wurde.

Anleger sollten beim Kauf darum unbedingt darauf achten, dass das Instrument ein Zertifikat besitzt. Preisbestimmend sind in erster Linie die Werkstatt, aus der das Instrument kommt, das Alter und die Spielbiografie, also die Geschichte eines Instruments.

Gerade in den letzten Jahren, in denen es schwierig geworden ist, rentable Investitionen zu finden, sei der Markt noch einmal gewachsen, sagt Simon Wernly. «Aber er wächst eigentlich seit Stradivaris Zeiten. Die Instrumente werden immer teurer, weil die Nachfrage nach wie vor da ist. Und: Die Instrumente werden ja nicht mehr. Das macht es für Musizierende natürlich nicht leichter.»

Ein paar Zahlen

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Streichinstrumente bilden einen wesentlichen Teil des viele Milliarden Dollar schweren Markts der Musikinstrumente. Seit den 1960er Jahren sind die Preise kontinuierlich gestiegen und erzielen jährlich Wertsteigerungen zwischen 8 und 15 Prozent.

Das Angebot reicht von Billig-Modellen, die in China am Fliessband produziert werden, bis zur sogenannten «Lady Blunt», einer Stradivari aus dem Jahr 1721, die 2011 für knapp 16 Millionen Dollar versteigert wurde.

45 Millionen Dollar betrug allein das Startgebot für die Stradivari-Bratsche «Macdonald» bei einer Versteigerung im Jahr 2014. Diese Bratsche gilt damit als bislang teuerstes Musikinstrument der Welt, obgleich sie damals nicht versteigert wurde.

Drama mit Happy End

Mit dieser Welt des Handels mit alten Instrumenten hatte der Geiger Frank Peter Zimmermann nie etwas zu tun. Und doch ist er vor ein paar Jahren mit dieser Welt in Berührung gekommen. Nach fast 13 Jahren an der Seite des Musikers landet die Stradivari-Geige «Lady Inchiquin» in einem Tresor.

Zwei Jahre nach der harten Trennung gibt es aber doch noch ein unerwartetes Happy End für die beiden. Die Geige kommt in den Besitz der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und Zimmermann erhält sie im Frühjahr 2017 zurück. «Das war wie eine Wiedergeburt», sagt der Geiger. «Aber die war zwei Jahre im Safe! Ich habe mich gefragt: Klingt die überhaupt noch? Aber schon nach ein bis zwei Tagen war es so wie immer.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 11.6.2021, 9:03 Uhr

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