Wer heute ein Musikinstrument kauft, braucht nicht in einen Laden zu gehen. Ein Selbstversuch zeigt: Das Internet hat tausende Schnäppchen zu bieten. Meines liegt jetzt allerdings im Kasten und wartet auf den nächsten Flohmarkt.
Das kam so: Meine Leidenschaft für Blasinstrumente ist ungebrochen. Die Klarinette, das Lieblingskind der Romantiker, mit ihrem singenden Ton und ihrer wirbelnden Geschwätzigkeit, hat es mir angetan.
«klarinette kaufen schweiz»
Warum nicht einmal ausprobieren, wie weit ich es nach Blockflöte und Saxophon noch auf einer B-Klarinette bringen kann? Ich gebe drei Begriffe auf Google ein: «klarinette kaufen schweiz».
Die ersten drei, vier Angebote (bezahlte Inserate) überlese ich gewohnheitsmässig. Ich stöbere auf den Versteigerungs-Plattformen: bei Ricardo», bei Anibis. Dort sehe ich bei den Webseiten der Fachhändler Preise von 1200 bis über 5000 Franken.
Bitte keinen Versand
Die meisten Fachhändler bieten Aktionspreise an und weisen diese auch offen aus auf ihrer Website. Andere hingegen schreiben «Preis auf Anfrage» – da soll ich also in den Laden kommen.
Ich will aber – so mein Vorsatz – erst mal möglichst billig einsteigen, und ausprobieren, ob es sich lohnt. Soll ich ein Instrument im Ausland bestellen? Ich bin zu altmodisch für den Versandhandel.
Ein Schnäppchen aus gutem Haus
Ich entscheide mich für ein privates Angebot aus dem Inland, wo ich die Klarinette abholen kann. 293 Franken. Ein Schnäppchen.
Der Name stimmt: Es ist eine renommierte Marke aus Frankreich, eine der grossen, traditionsreichen Manufakturen in Paris. Alles ist dabei, sogar noch ungebrauchte Blättchen der Stärke 3!
Der erste Versuch zu Hause stimmt mich hoffnungsvoll: Die Töne entströmen der Röhre, nicht gerade mühelos, aber immerhin. Das liegt wohl an meiner Kondition, denke ich mir, das wird schon gut.
Was meinen die Experten?
Ich habe für unter 300 Franken ein Occasion-Instrument gefunden und verabrede mich zum Vergleich mit der Klarinettistin und Blasmusik-Dirigentin Silvia Riebli in Luzern. Wir gehen gemeinsam ins Fachgeschäft.
Das Wunderland für Blasinstrumentalisten ist im ersten Stock und offeriert einen ganzen Schaukasten voller Saxophone – glänzend poliertes Messing – im grosszügig bemessenen Verkaufsraum. Der Geschäfstführer Adrian Lohri führt uns in eine Spielkabine und nimmt auch gleich ein neues Schülerinstrument aus dem eigenen Angebot mit, zum Vergleich.
Das Schnäppchen schwächelt
Schon auf den ersten Blick machen er und Silvia R. die Schwachstellen aus: Der Becher ist geflickt. Nicht sehr fachmännisch – er wurde abgesägt. Das Schnäppchen ist sicher über 30 Jahre alt, hat einige Polster unter den Klappen, die nicht richtig schliessen. Beim Zusammensetzen wackelt es.
Das Holz ist abgetragen. Das muss man mit einem Metall-Einsatz an der Verbindungsstelle wieder herrichten, damit es am Kork satt ansitzt.
Die A-Feder gebrochen. Die Klappe weit oben am Rohr schliesst nicht richtig. Und tatsächlich, trotz grösster Anstrengung bekomme ich keinen anständig überblasenen Ton hin. Sie quietscht.
Über 1000 Franken Zusatzkosten
«Ein typisches Beispiel aus dem Internet», sagt Lohri. Den Reparaturbedarf beziffert er auf 1000 bis 1200 Franken. «Das kann man machen, klar, aber nur, wenn der Kunde eine emotionale Beziehung zum Instrument hat.»
Eine Klarinette habe eine Lebensdauer von etwa 25 Jahren, danach lohne es sich kaum, das ausgelaugte Holz noch neu aufzumontieren. «Ein neues Instrument bietet grössere Leichtigkeit in der Ansprache und dazu noch die Garantie für Reparaturen von unserer Seite.»
Das Sommerferien-Phänomen
Solche Instrumente hat Lohri schon öfters gesehen: «Solche Fälle sehen wir bei uns häufig nach den Sommerferien, wenn die Anfänger mit einem gebrauchten Instrument irgendwo her zu uns kommen. In der ersten Unterrichtsstunde stellen sie fest, dass es nicht richtig funktioniert.»
Tatsächlich fällt mir das Spiel auf dem neuen Schülerinstrument auf Anhieb leichter, und ich packe mein «Schnäppchen» etwas ernüchtert wieder in den gepolsterten Koffer.
Silvia Riebli, die erfahrene Klarinettenlehrerin zieht das Fazit: «Wenn man etwas online kauft, sollte man immer zuerst ausprobieren – und zusammen mit der Lehrperson testen. Oder gleich mit fachkundiger Begleitung zum Händler gehen, und sich beraten lassen.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 20. Dezember 2016, 9 Uhr