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Japanische Ritualmusik Wie der Schrei eines Phönix, wie der Ruf der Götter

Geistliche Musik aus Japan irritiert unsere Ohren. Sie soll auch nicht uns Freude bereiten, sagt Musikologe Yoshiro Shimizu. Sondern den Göttern.

Die japanische Mundorgel Sho soll die Gesänge des mythischen Vogels Phönix wiedergeben. Der Phönix steht in der asiatischen wie auch europäischen Kultur für Wiedergeburt, Auferstehung und Weiterleben.

Insofern passt die Sho gut in eine christliche Kirche. Wenngleich ihr intensiver, fremder Klang in der Jesuitenkirche Luzern freilich auch irritierte. Hier zeigte der japanische Musikwissenschaftler Yohiro Shimizu im Rahmen der Tagung «Theologie und Musik» der Universität Luzern, wie geistliche Musik in Buddhismus und Shinto klingt.

Sho und Sheng

Die Mundorgel Sho mit 17 Bambuspfeifen spielt Shimizu in permanenter Atmung, ohne abzusetzen. So entsteht beim Ein- und Ausatmen ein durchgehender, intensiver Klang. Er erinnert an hohe Orgeltöne oder an eine Mundharmonika.

Ein Mann mit schwarzem Hut un einer Art Mundorgel.
Legende: Mit permanentem Atem: Yoshiro Shimizu spielt die Sho. SRF / Judith Wipfler

Die japanische Sho hat ihre Vorgängerinnen im alten China. Chinesische Mundorgeln namens Sheng gab es wohl bereits vor 3000 Jahren. Sie sind die ältesten mehrstimmigen Blasinstrumente der Welt.

Neben der Mundorgel Sho gehören auch die die oboenartige Hichiriki und Flöten zu den klassischen Instrumenten japanischer Ritualmusik.

Musik als Teil religiöser Riten

Sie alle begleiten traditionelle Riten in Japan: teils buddhistische Riten, teils Shinto-Riten. Gagaku nennt sich der traditionelle Musikstil. Gagaku-Ensemble gestalten Zeremonien in Shintoschreinen ebenso wie etwa den Ein- und Auszug buddhistischer Mönche.

Gagaku sei keine rein japanische Musik, betont Yoshiro Shimizu. In ihr fliessen chinesische und indisch-buddhistische mit japanischen Traditionen zusammen.

Gagaku sei zudem keine rein religiöse Musik. Sondern sie meint die elegante höfische Musik ebenso wie die Ritualmusik. Da der japanische Kaiser, der Tenno, oft selbst als Ritualmeister fungiert, fallen Höfisches und Rituelles in Japan mitunter ohnehin zusammen.

Klang der Götter

Yoshiro Shimizu hat in Köln ein ganzes Ensemble aufgebaut, das Gagaku praktiziert. In Luzern trat er allein und im traditionellen Gewand auf. Typisch dafür ist der schwarze Papierhut, der durch Lack festgemacht wird.

Er sei sich nicht sicher, gibt Shimizu zu, ob man diese Klänge, die er auf den traditionellen asiatischen Blasinstrumenten erzeuge, wirklich Musik nennen könne.

Es sei auch weniger eine Publikumsmusik als ein Klang der Götter und für die Götter bestimmt. Dieser göttliche Klang könne für menschliche Ohren auch zu viel sein.

Einigen Zuhörenden in Luzern scheint das tatsächlich so zu ergehen. Sie verlassen die Jesuitenkirche vorzeitig. Gagaku und die Sho, sie sind gewöhnungsbedürftig: Eine komplett andere Welt geistlicher Musik.

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