Die Band ist zu spät dran für den Soundcheck, die Zeit ist knapp, und im Container, wo das abgemachte Interview stattfinden soll, ist es viel zu heiss. Aber Joshua Redman ist ein Traum von einem Interviewpartner: Im Moment, wo ich die Aufnahme starte, ist er charmant und redegewandt.
Aus der professionellen Zugewandtheit wird sogar echte Freude, als ich ihm ein Foto zeige: sein Vater Dewey Redman mit 50 auf der Bühne in Willisau – also genau so alt wie Joshua Redman jetzt.
Berühmter als sein Vater
In Willisau am Jazz Festival war Dewey Redman fast schon Stammgast. Nicht weniger als acht Mal war er dort zu sehen, und Sohnemann Joshua ist baff: «Acht Mal?! Ich wusste, dass er ein paar Mal hier war, aber acht Mal?»
Und ja: Natürlich sei es eine Ehre für ihn, jetzt endlich auch auf dieser Bühne zu spielen, auf der sein Vater so oft zu sehen war. Viele solche Bühnen gebe es nicht mehr.
Er meint damit: Bühnen auf denen Dewey Redman gespielt hat, aber er nicht. Womit er Recht hat. Joshua Redman ist schon lange berühmter, als es sein Papi je war.
Musik als inneres Bedürfnis
In den 1990er-Jahren war Joshua Redman einer der «Young Lions», ein junger Jazzer also, der sich wieder an alte Stile wie Bebop oder Swing erinnert und damit ein grosses Publikum anspricht.
Ähnlich wie Wynton Marsalis, der Trompeter und Vorreiter aller «Young Lions», legte Joshua Redman mit seiner Musik damals den Grundstein zu einer grossen Jazz-Karriere, die er geschickt bespielt hat. Auch wenn es ihm nie so richtig wohl war in der Rolle des jungen Löwen – er hat seine Musik immer als inneres Bedürfnis verstanden, nicht als Konzept.
Ein inneres Bedürfnis, das genetisch verankert sein muss. Denn Joshua Redman hat zwar die Platten von seinem Vater bekommen, der Vater selbst aber war in seiner Kindheit abwesend. Aufgewachsen bei seiner Mutter und von ihr auch mit allen möglichen Formen der Kultur vertraut gemacht, war er lange Zeit überzeugt: «It’s nurture, not nature», die Erziehung macht es aus, nicht die Herkunft.
Immer noch am Träumen
Jetzt, mit 50, hat Joshua Redman die Gewissheiten der Jugend verloren. Gewonnen hat er dafür ein immer grösseres Verständnis für die Musik seines abwesenden Vaters. Schon als Twenty-Something hat er zwar mit diesem Vater zusammen in einer Band gespielt und mit ihm auch aufgenommen.
Erst ein Vierteljahrhundert später aber bezieht er sich explizit auf ein berühmtes Projekt von Dewey Redman aus den 1970er- und 80er-Jahren, «Old and New Dreams». Wie Dewey Redman spielt Joshua Redman in einem pianolosen Quartett, wie Dewey Redman bezieht er sich auf Konzepte des berühmten Vaters des Free Jazz, Ornette Coleman. Das Projekt heisst «Still Dreaming», immer noch am Träumen.
Gleichzeitig steht er aber mit beiden Füssen in der Realität, mein Traum-Interviewpartner Joshua Redman. Und muss jetzt endlich los, zum Soundcheck, die Hitze im Container ist sowieso fast unerträglich geworden. Er entschuldigt sich, entwischt – und spielt kurze Zeit später ein traumhaft schönes Konzert.