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Musik Jazz-Wunderkind Herman: In drei Jahren spielen wie Keith Jarrett

Über den israelischen Jazzpianisten Yaron Herman erzählt man sich Wunderdinge: Er hat erst mit 16 Jahren begonnen, Klavier zu spielen. Mit 21 Jahren nahm er seine erste CD aufgenommen. Hinter der rasanten Entwicklung seines Talents steckt System.

Wenn einem der Klavierlehrer verspricht, dass man in drei Jahren spielen könne wie Keith Jarrett, dann sollte man sich vernünftigerweise einen neuen suchen. Denn das klingt doch sehr nach einem leeren Versprechen.

Eine erstaunliche Leistung

Yaron Herman machte das Gegenteil. Er erreichte das Ziel, zumindest annährend. An einem genialen Musiker wie Keith Jarrett kann man sich nicht wirklich messen. Da zieht man immer den Kürzeren.

Dennoch ist es erstaunlich, zu welcher Fertigkeit es der junge Mann gebracht hat, der bis zu seinem 16. Altersjahr nur an Basketball interessiert war. Yaron Hermans Hommage an Jarrett, das Stück «Facing Him» auf der CD «Variations» von 2005, zeigt eindrücklich, über welche pianistischen und musikalischen Fähigkeiten er da verfügt.

Talent neu definiert

Es gibt jede Menge lernbegierige Jazzpianostudenten, die für Hermans Fähigkeiten so einiges opfern würden. Wohl wissend, dass das nur ein Zwischenergebnis auf dem Weg zu einem eigenständigen Ausdruck sein kann. Genau darum geht es Jazzmusikerinnen und –musikern ja.

Wer jetzt glaubt, dass Yaron Herman ganz einfach überdurchschnittlich musikalisch begabt ist, dem würde sein Lehrer Opher Brayer entschieden widersprechen. Seiner Ansicht nach definiert sich Talent vor allem dadurch, mit welcher Geschwindigkeit jemand lernt, und dabei Fortschritte macht.

Für Brayer, der sonst Führungskräfte aus der Wirtschaft coacht, macht es dann keinen Unterschied, ob man Schach auf Topniveau spielt, einen Düsenjet lenkt oder am Klavier improvisiert. Der Schlüssel zum Erfolg: Intelligenz, Emotion – und obsessives Üben.

Nicht stehen bleiben

Die Funktionsweise von Brayers Methode kann man wohl nicht adäquat erfassen, solange man sich nicht selbst wirklich darauf einlässt. Dass sie eine gewaltige Wirkung entfalten kann, zeigt Yaron Hermans Beispiel. Die Methode kann weiterwirken, auch wenn der direkte Kontakt mit dem Coach nicht mehr gegeben ist.

Yaron Herman übersiedelte bald von seinem Geburtsort Tel Aviv nach Boston, dann nach New York und schliesslich nach Paris, wo er gegenwärtig lebt und arbeitet. Vor allem Letzteres, denn Herman ist ganz konstant auf der Suche nach neuen musikalischen Konzepten, mit denen er sich auseinandersetzen kann, wie das gute halbe Dutzend Produktionen mit ihm zeigt.

Er geht völlig ohne Dünkel zu Werke. Eine Popnummer wie «Toxic» ist ihm so willkommen wie ein Prélude des russischen Komponisten Alexander Skrjabin, ein Song von James Blake oder ein Jazzstandard. Da darf man wahrlich gespannt sein, wo er in weiteren zehn Jahren stehen wird.

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