Alles begann als konventionelles Fotoshooting auf der Berliner Museumsinsel. Doch dann sass plötzlich dieser Hase auf seiner Schulter. An die sechzig Schaulustige verfolgten mit, wie sich zwei Unbekannte dem Harfenisten näherten und ihm das weisse Tier auf die Schulter setzten.
Die kurze Videosequenz ging viral: Über 700’000 Klicks binnen weniger Tage. Derweil verzehnfachten sich die Likes auf Joel von Lerbers Facebook-Seite von 300 auf 3000. Ein Zufall? Nicht nur.
Als Digital Native setzt der 27-jährige Schweizer Harfenist gezielt auf die Zugkraft von Social Media. Neben Facebook und einer Künstlerwebseite betreibt Joel von Lerber einen Youtube- und Instgram-Kanal.
Unter den 2500 Followern befinden sich solche, die Bedrich Smetanas «Moldau» nur dank seinen Videoposts kennen.
Muckis auf Instagram
Aber auch Konzertveranstalter seien über Social Media auf ihn aufmerksam geworden, sagt der Harfenist. Auf Instagram posiert er mit Trägershirt oder Badeshorts. Auf einem Foto aus dem Fitnessstudio zeigt er seinen trainierten Bizeps.
Mit solchen Posts wolle er nicht sein künstlerisches Image aufpolieren, betont von Lerber. Es mache ihm ganz einfach Spass, hin und wieder freizügiger aufzutreten.
Bei Berufskolleginnen und -kollegen habe diese «sexualisierte Art» allerdings schon für Kopfschütteln gesorgt. Er selber sei hingegen überzeugt, dass ein ungezwungener Auftritt dem Klassikbetrieb eher nütze als schade. Jedenfalls solange damit keine künstlerischen Defizite kompensiert werden.
Kosmopolit und Wahlberliner
Dass Joel von Lerber auf höchstem Niveau Harfe spielen kann, hat er mit erfolgreichen Wettbewerben in Russland, Polen, Mexiko, den USA und der Schweiz bewiesen.
Die jüngste Auszeichnung erspielte sich der Schweizer Harfenist im Oktober am renommierten International Harp Contest in Israel, wo er den zweiten Rang belegte und zwei Spezialpreise einheimste.
Seit seiner Studienzeit in Basel, Zürich und Berlin nimmt von Lerber jährlich an einem Wettbewerb teil. Er sei eher der kompetitive Typ, der den Druck und eine klare Deadline brauche, sagt er.
Hinzu kommt, dass der Wahlberliner das nomadische Reiseleben als persönliche Horizonterweiterung erfährt. Selbst wenn das Reisen mit einer Harfe ihn vor besondere Herausforderungen stellt.
Feminisierung der Harfe
Zur Harfe fühlte sich Joel von Lerber schon als Vierjähriger hingezogen. Viele Träume konnte er sich inzwischen erfüllen: etwa mit einem Sinfonieorchester ein grosses Solokonzert zu spielen. Eine feste Orchesterstelle strebt von Lerber nicht an. Er möchte ganz auf die Solistenkarte setzen.
Aber wie behauptet man sich als Mann auf einem Instrument, das vor allem von Frauen gespielt wird? Mit dieser Frage wird der Musiker oft konfrontiert. Er hat sogar seine Bachelor-Arbeit über die Feminisierung der Harfe zur Zeit Marie Antoinettes verfasst.
Bizeps statt Engelslocken
Das Klischee stört ihn nicht, im Gegenteil, er sieht darin eine Chance. Dass er nicht dem Stereotyp mit dem langen blonden Lockenhaar entspreche, bewirke eine grössere Wiedererkennung.
Dieser Plan geht bislang auf. Sogar Theodor Currentzis ist auf ihn aufmerksam geworden. Mit dem griechischen Dirigenten und Musica Aeterna tourt der Schweizer Harfenist demnächst um die Welt.
Auf dem Programm steht Gustav Mahlers vierte Sinfonie. Mit solchen Erfolgen rückt womöglich auch von Lerbers Fernziel einmal in Griffnähe: eine Harfenprofessur.