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Andreas Scholl singt John Dowland
Aus Kultur Extras vom 27.12.2013.
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Musik John Dowland – der erste Pop-Star Englands

2013 war das Jahr der runden Geburtstage von Musikern: Wagner und Verdi wurden 200 Jahre alt. Ganz wichtig ist aber auch ein viel Älterer: John Dowland, der vor 450 Jahren geboren wurde. Ein Superstar zu seiner Zeit, der immer noch gespielt wird.

John Dowlands Musik hat die Menschen in der Seele berührt – und tut dies noch heute. Kein Wunder verehren Musiker von Klassik bis Pop den legendären Komponisten und greifen immer wieder auf seine Hits von damals zurück. «Er war ein Popstar! Ganz Europa hat seine Songs gesungen!» erzählt Emanuele Forni. Und strahlt vor Begeisterung über John Dowland, der Lautenist war, wie Forni selbst. Allerdings vor mehr als 400 Jahren. «Dowland war ein Phänomen, so wie später die Beatles».

Songwriting auf hohem Niveau

Geboren wurde John Dowland an einem nicht genau überlieferten Tag im Jahre 1563 in London. Königin Elisabeth I. führte in dieser ereignisreichen Zeit das Zepter. Instrument der Stunde war damals die Laute – höchst populär und sehr geeignet als Gesangsbegleiterin.

Wie eine Art Singer-Songwriter oder Cantautore schrieb Dowland seine Lieder und trat damit auch selbst auf. «Aber er war mehr als das», meint Emanuele Forni. «Er war auch Komponist und Arrangeur. Er komponierte eingängige Melodien, richtige Ohrwürmer, und arrangierte sie dann mit mehreren Stimmen für ein ‹Consort›, wie man in der Renaissance ein Musik-Ensemble bezeichnete». Dowland war einer der ersten Musiker, die Songwriting auf hohem Niveau gemacht haben.

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Countertenor Andreas Scholl über John Dowland
Aus Kultur Extras vom 27.12.2013.
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Zerbrechliche Musik

Auch Andreas Scholl, einer der ganz Grossen unter den gegenwärtigen Countertenören, ist ganz eingenommen von Dowlands Musik: «In der Musikgeschichte dominierte er die englische Renaissance-Musik ganz klar als Lied- und Instrumentalkomponist. Für mich persönlich ist Dowland ein ganz wichtiger Baustein in meiner musikalischen Erziehung an der Schola Cantorum in Basel gewesen. Als Countertenor singt man ja zu 80 Prozent Dowland-Lieder.»

Und Scholl schwärmt weiter: «Für mich persönlich gehört Dowland zum Schönsten, was man als Lied singen kann. Die Liederabende mit Laute sind die beglückendsten Momente für mich als Sänger. Es ist eine sehr zerbrechliche Musik, man steht schutzlos da; aber wenn es dann gelingt, ist es umso schöner.»

Der erste Pop-Star Englands

Diese Erfahrung hat auch der Rock-Musiker Sting gemacht, als er seine Rock-Band «The Police» links liegen liess, um sich mit den Wurzeln der englischen Musik zu befassen. «Wenn man Dowland singt, ist man wie nackt, man kann sich nicht verstecken.» Statt mit Rockmusik ist Sting damals mit Dowland-Songs ins Studio und auf Tournee gegangen. «Songs from the Labyrinth» hiess das Programm und das dazugehörige Album. «Es war eine melancholisch geprägte Zeit damals», sagt Sting, «und Dowland schrieb ein paar der wunderbarsten Songs. Er war der erste englische Pop-Sänger mit internationaler Ausstrahlung.»

Dowland wusste schon damals, wie man sich vermarktet. Er liess seine Noten in mehreren Auflagen drucken und innert kürzester Zeit wurden seine Lieder in ganz Europa von Dänemark und Frankreich bis nach Italien gesungen. Es war Musik fürs Volk, die aber auch von der Aristokratie geliebt wurde.

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Flötistin Dorothee Oberlinger über John Dowland
Aus Kultur Extras vom 27.12.2013.
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Seine Melodien verzaubern noch immer

Wie aber hat es Dowland geschafft, den Nerv seiner Zeit so zu treffen? «Das ist das Geheimnis eines jeden grossen Komponisten», sagt Andreas Scholl. «Man kann’s halt nicht in Worte fassen. Es ist der Schöpfergeist einer Seele, einer ‹ganz erfahrenen Seele› wie es ein Kollege mal formuliert hat. Es ist Musik, die einen reinzieht und einem nicht entgegen geschleudert wird.»

Die Flötistin Dorothee Oberlinger schliesslich erklärt es so: «Es ist diese Melancholie, die mich fasziniert. Ein ganz bekanntes Stück ist ‹Flow my Tears› und das ist eine sehr rhetorische, gestische Musik, das heisst, wir spielen zum Beispiel das Fliessen der Träne nach – und schon fliesst sie die Wange herunter». Sie spielt Blockflöten-Variationen über Lieder von Dowland und ist begeistert. «Es ist toll, musikalisch darüber zu fabulieren, das ist wie ein Jazzstandard. Man hat das pure Lied, dann fängt man an, es zu verkleinern und mit musikalischen Floskeln auszustatten. Das ist was ganz besonderes und wirkt sofort.»

So wie Musiker im 21. Jahrhundert noch von Dowland schwärmen, so ist es im 16. Jahrhundert auch Shakespeare schon ergangen. «Du gibst dich Dowlands Melodien hin von ihres Wohlklangs Zauber eingehüllet», dichtete er damals. Das ist heute nicht anders. Dowlands schwermütige, suggestive Melodien sind zeitlos und verzaubern noch immer.

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