Bis kurz vor seinem Tod hat Ludwig van Beethoven an seinem letzten grossen Werk gearbeitet, der 10. Sinfonie. Es blieb bei Skizzen, einigen wenigen Takten. Einem internationalen Team von Musikwissenschaftlerinnen, Komponisten und IT-Experten ist es nun gelungen, Beethovens Unvollendete zu vollenden – dank Künstlicher Intelligenz (KI).
«Im Prinzip ist es eine leere Bildfläche und wir können gestalten, wie wir wollen. Wir haben der KI beigebracht, wie die alten Meister komponiert haben», erklärt der österreichische Komponist und Produzent Walter Werzowa, der im Beethoven-Projekt involviert war.
Über Nacht komponieren gelernt
Dafür wurden Beethoven-Sinfonien, Skizzen und Partituren als Daten analysiert, codiert und in die Software eingespeist. So sollte der Algorithmus lernen, Beethovens musikalisches Universum zu rekonstruieren und wie er zu komponieren.
«Die KI liest aus den Werken heraus, was wichtig und essenziell ist. Wir können das grösste Werk in den Computer eingeben. Er lernt es eine Nacht lang, behält es für immer und kann leicht damit umgehen und es abfragen», so Werzowa.
Wechselspiel zwischen Mensch und Maschine
So habe der Computer die wenigen bestehenden Skizzen Beethovens Schritt für Schritt zu ganzen Sätzen erweitert, sagt Walter Werzowa. Erst einzelne Noten, dann Takte, Phrasen.
Hunderte Varianten habe die Künstliche Intelligenz erzeugt. Diese haben Walter Werzowa und seine Kolleginnen ausgewertet und ins System zurückgespielt, welches dann wieder ein paar Noten hinzuzufügt hat.
Im Wechselspiel zwischen Mensch und Maschine ist so ein immer längeres Werk entstanden. Denn die KI, sagt Werzowa, die man jetzt habe, sei zwar ein faszinierender Legobaukasten, aber der Mensch bleibe wichtig.
Zusatzrunde nach Beethoven-Jahr
Die Idee und das Geld für Beethovens Zehnte stammen von der Deutschen Telekom, Anlass war ursprünglich das Beethoven-Jahr 2020, in dem der 250. Geburtstag des Bonner Komponisten gefeiert wurde. Corona-bedingt wurde die Uraufführung immer wieder verschoben, morgen findet sie nun in Bonn statt.
Aber ist das nun die 10. Sinfonie, wie Beethoven sie komponiert hätte, wenn er noch dazu gekommen wäre? Das Team um den Komponisten Walter Werzowa präsentiert nur eine mögliche Version von Beethovens 10. Sinfonie.
Niemand kann wissen, wie das Stück wirklich getönt hätte. Dessen ist sich auch Werzowa bewusst: «Selbst Beethoven hätte nicht von Anfang an gewusst, wie das Stück klingt.» Er habe viel geändert, so Werzowa. Beethovens Skizzenbücher seien so genial wie wahnsinnig. «Da wurde viel durchgestrichen und wieder neu zusammengesetzt.»
Der Computer sei ein geniales Hilfsmittel. Er helfe Expertinnen und Experten auf neue Spuren zu kommen. Selbst auf Beethovens Zehnte.