Zum Inhalt springen

Header

Audio
Zum 100. Todestag von Hugo Riemann
Aus Kultur-Aktualität vom 09.07.2019. Bild: Wikipedia
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 26 Sekunden.
Inhalt

Klassik-Klassiker Hugo Riemann begründete die moderne Musikwissenschaft

Sein Musiklexikon ist bekannt und berüchtigt – und ein Klassiker. Riemann starb vor genau 100 Jahren. Eine Annäherung.

Hugo Riemann war eine der ganz wichtigen Figuren der Musik. Um genau zu sein: der Musiktheorie im 19. Jahrhundert. Bis heute bekannt und berüchtigt ist das Musiklexikon, das er geschrieben hat: DER Riemann – das erste Standardwerk seiner Art. Wer war dieser Mann, der heute vor 100 Jahren gestorben ist?

Zu Höherem berufen

Karl Wilhelm Julius Hugo. Eine Ansammlung von Vornamen, als hätten seine Eltern gewusst, dass ihr Sohn zu Höherem berufen war. Der Vater ein Regierungsbeamter, Rittergutsbesitzer und Hobbymusiker. Mit neun Jahren fängt der kleine Hugo an, Gedichte zu schreiben.

Später studiert er Jura, Germanistik, Geschichte, will erst Schriftsteller werden – findet seine Berufung dann aber in der Forschung. Ihn interessiert das Begründen, das Eintauchen in die Theorie. Auf der Suche nach der Wahrheit. Dass nämlich die gesamte Musik nach dem Prinzip Dur und Moll funktioniert.

Auf diesem System baut Riemann sein gesamtes Denkgebäude auf. Riemann ist einer, der mal richtig aufräumen will, alles vorhandene Wissen konsolidieren und auf eine solide Grundlage stellen, logisch zusammenfügen will.

Zusammenhänge und Gesetzmässigkeiten

Bisher war Musikgeschichte die Geschichte von den tollen Leistungen einzelner Musiker und ihrem Lebenswerk. Konventionelle Heroengeschichte sozusagen.

Davon distanziert sich Riemann. Er sucht nach Zusammenhängen und Gesetzmässigkeiten, analysiert die Musik der Klassiker Haydn, Mozart, Beethoven, arbeitet Stilprinzipien heraus und entwickelt daraus eine ganze Kompositionslehre. Eine Kompositionslehre, mit der man ein einzelnes Motiv genauso erklären kann wie eine ganz Sinfonie.

Besessen produktiv

Riemann ist geradezu besessen produktiv. Ein Workaholic: 18-Stunden-Tage sind normal, in der Früh um 4 steht er auf, bald ist er der totale Aussenseiter ohne soziale Kontakte.

Das ficht ihn nicht an. Er macht weiter. Besprechungen, Lexikonartikel, Musikführer, Bearbeitungen und Übersetzungen musikwissenschaftlicher Schriften anderer Autoren.

Er wird Lehrer, Professor, schreibt viel, sehr viel Musiktheoretisches und Musikwissenschaftliches, darunter 50 Monografien und über 200 Aufsätze zu allen Bereichen der Musikwissenschaft und Musikpraxis, ein grosses Musik-Lexikon und eine «Grosse Kompositionslehre» in zwei Bänden.

Nicht immer funktionieren seine Raster

Am Ende seines Lebens sieht er ein, dass er in manchen Dingen zu forsch, zu eng war, dass es nicht geht, über alle Musik dasselbe Dur-Moll-Raster zu legen und in Phrasen von acht Takten einzuteilen. Bei den Klassikern funktioniert das ja meist recht gut – schon in der Romantik, gar in der neuen Musik, aber gar nicht mehr.

Dennoch – und das ist vielleicht das grösste aller seiner Verdienste – Hugo Riemann sorgt dafür, dass die Musikwissenschaft eine Musikwissenschaft wird. Dass sie an den Universitäten als akademische Disziplin Einzug hält und man sie erstmals studieren kann.

Bis heute. Auch wenn sich die Studierenden nach wie vor mit Riemanns Funktions- und Harmonielehre herumschlagen müssen.

Meistgelesene Artikel