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Der Musikjournalist Bjørn Schaeffner über die Bedeutung von Klaus Schulze
Aus Kultur-Aktualität vom 28.04.2022. Bild: IMAGO / POP-EYE
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Klaus Schulze ist gestorben Er war einer der wichtigsten Pioniere der elektronischen Musik

Er liebte sphärische Sounds und veredelte mit seiner «Schulze-Atmo» jeden Ton. Klaus Schulze war Mitbegründer der «Berliner Schule» und ein wichtiger Vertreter des «Krautrocks». Nun ist er mit 74 Jahren gestorben.

«Krautrock»-Pionier, Keyboard-Einzelkämpfer, Impulsgeber für Ambient und Techno: Klaus Schulzes Bedeutung für die elektronische Musik ist kaum zu überschätzen.

Wenn Kraftwerk, Can und NEU! die wichtigsten Bands des zunächst spöttisch betitelten «Krautrocks» waren, dann war Klaus Schulze wohl dessen bedeutendster Solomusiker.

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Krautrock-Pionier Klaus Schulze gestorben
aus Kultur-Aktualität vom 28.04.2022. Bild: IMAGO / Eastnews
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Bis zuletzt arbeitete der deutsche Elektronik-Pionier an seinen ausufernd-hypnotischen Kompositionen mit Titeln wie «Osiris» oder «Der Hauch des Lebens», die eigentlich keinen Anfang und kein Ende hatten und gerade deshalb so faszinierten.

Nun ist der deutsche Klangtüftler am Dienstagabend mit 74 Jahren gestorben – wenige Wochen vor Veröffentlichung seines neuen Albums «Deus Arrakis».

Ein Mann spielt auf einem Keyboard leidenschaftlich.
Legende: Stets mit Leidenschaft und Enthusiasmus: Klaus Schulze bei einem Konzert im Forum Theatre in Hetfield am 22. April 1983. National Jazz Archive/Heritage Images/Getty Images

Der Tod des international enorm einflussreichen Musikers kam «nach langer Krankheit, aber dennoch plötzlich und unerwartet», wie sein Sohn Maximilian Schulze und Frank Uhle, Manager der Plattenfirma SPV, am Mittwoch mitteilten.

Schulze sei ein «Überzeugungstäter» und «Ausnahmekönner» gewesen, so Frank Uhle. «Umso heftiger trifft uns diese Nachricht.»

«Schulze hat das Trance-hafte im Techno mitgeprägt»

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Klaus Schulze war ein Pionier der elektronischen Musik. Der Musikjournalist Bjørn Schaeffner über die Bedeutung des Synthesisten.

SRF: Techno-DJs zitieren Klaus Schulze oft als wichtigen Einfluss. Was ist typisch für seinen Sound?

Bjørn Schaeffner: Es sind die fliessenden, pulsierenden, elektronischen Klangflächen. Und die waren bei Schulze oft episch lang: Er sagte selbst, dass es ihm viel leichter falle, ein 60-Minuten-Stück zu bauen als einen vierminütigen Song. Die Möglichkeiten dazu fand er im Synthesizer. Damit fühlte er sich viel freier und autonomer in der Gestaltung.

Woher kam Schulze als Musiker?

Er spielte damals in der Band «Tangerine Dream» in Berlin – und frequentierte in einem Studio des Schweizer Experimentalmusikers Thomas Kessler. Kessler war mit ein Grund, wieso er mit der Rocktradition brach und eigene Weg ging. So verquickte Schulze psychedelische 60er-Jahre-Sounds mit Free Jazz bis hin zu Einflüssen aus der klassischen Musik. Aber so richtig elektronisch wurde er, als er 1972 seine Solokarriere startete.

Schulze wird als Ur-Vater des Techno bezeichnet. Stimmt das?

Dasselbe sagt man auch von der Band «Kraftwerk», von Giorgio Moroder oder von «Yello». Musik hat immer viele Väter und Mütter. Dabei war Klaus Schulze sicher einer der wichtigsten Pioniere der elektronischen Musik und hat gerade auch das «Trance-hafte» im Techno mitgeprägt, dieses Gefühl des «Sich-in-der-Musik-Verlieren-Wollen». Mit seinen langsam fliessenden Sounds beeinflusste er auch die Ambient Music, die ein Brian Eno später in den Mainstream trug.

Was bleibt von Klaus Schulze?

Er hinterlässt ein beachtliches Werk – auch quantitativ: Mehr als 60 Studioplatten hat er fertiggestellt. Als Musiker erkundete er die Grenzregion zwischen Tanzhypnose und Tiefenentspannung. Und auf seiner Facebook-Seite schrieb die Familie zum Abschied: «Ihr wisst ja wie er war: seine Musik war wichtig, nicht seine Person.»

Der Synthesist begeisterte sogar Bowie

«Der Berliner Elektro-Einzelkämpfer entlockte den damals hochkomplexen Moog-Synthesizern schon Anfang der 70er-Jahre sphärische Klänge. Ein Pionier des Ambient», schrieb kürzlich das Musikmagazin «Rolling Stone» in einer Würdigung.

Schulze wurde zunächst bekannt als Schlagzeuger der Band Tangerine Dream um Edgar Froese, die Mitte der 1970er-Jahre unter anderem David Bowie begeisterte, und als Mitglied von Ash Ra Tempel.

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Aus dem Archiv: Klaus Schulze zu Gast in der «Szene»
aus Kultur-Aktualität vom 22.01.1986. Bild: IMAGO / POP-EYE
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Schulze war Mitbegründer der avantgardistischen «Berliner Schule» mit ihren repetitiven und geräuschhaften Soundstrukturen weit jenseits der normalen Popmusik.

In seinen Keyboard- und Synthesizer-Burgen trat Schulze live auf, widmete sich aber auch gern der Filmmusik. Damit beeinflusste der gebürtige Berliner «massgeblich sämtliche Stilrichtungen, die aus der Elektronischen Musik hervorgegangen sind», von Ambient bis Techno, wie sein Label betonte.

Sein Klänge zwischen Seele und Technologie

«Viele der grossen internationalen DJs nennen ihn liebevoll ihren «Godfather of Techno». Vom Solo-Debüt «Irrlicht» (1972) über die Schlüsselwerke «Timewind» (1975) und «Mirage» (1977) bis zu neueren Alben mit der Sängerin Lisa Gerrard und dem aktuellen «Deus Arrakis» spannt sich ein Bogen von rund 50 Schulze-Platten.

Im Jahr 1978 gründete er das Musiklabel Innovative Communication und produzierte unter anderem die Neue-Deutsche-Welle-Hitband «Ideal», in die 80er-Jahre fiel eine Koproduktion mit der Popgruppe «Alphaville».

Die einmalige «Schulze-Atmosphäre» übertrug sich auch auf seine Produktionen unter dem Pseudonym Richard Wahnfried, auf Soundtrack-Arbeiten und Kollaborationen mit Künstlern wie Arthur Brown, Michael Shrieve oder Hans Zimmer.

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Das ist Krautrock
aus 100 Sekunden Wissen vom 16.12.2019. Bild: SRF / Sebastien Thibault
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«Klaus Schulzes Musik war nie relevanter als jetzt», lobte Oscar-Gewinner Zimmer («Dune») im Dezember vorigen Jahres. «Mehr denn je ist die Arbeit von Klaus die perfekte Balance zwischen Seele und Technologie. Elektronen als Botschafter von Romantik. Ein Meister ...»

Geschenk des Lebens

Schulze war verheiratet, hatte zwei erwachsene Söhne und vier Enkelkinder. Der Abschied soll im engsten Familienkreis erfolgen, das habe er sich so gewünscht. Seine Musik sei wichtig, seine Person nicht.

Über sein neustes 70-Minuten-Werk «Deus Arrakis» sagte er selbst, es orientiere sich an Frank Herberts berühmtem «Dune»-Stoff und sei letztlich ein Salut «im weiteren Sinne an das grosse Geschenk des Lebens».

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 28.04.2022, 07:06 Uhr;

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