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König der Operetten Haschküchlein und Höllenpartys

200 Jahre Jacques Offenbach: Der schillernde Komponist arbeitete Tag und Nacht, hinterliess über hundert Bühnenwerke und war voller Widersprüche.

Nein, mit dem French Cancan, bei dem Frauen ihre Beine hochwerfen und spitze Schreie ausstossen, hat Jacques Offenbach nichts zu tun. Die Musik ist zwar von ihm, heisst aber eigentlich «galop infernal» und ist ein Höhepunkt in seiner Opéra comique «Orphée aux Enfers».

Dort ist die griechische Götterwelt bei Pluto zu einer Höllenparty eingeladen, flippt aus, hopst herum und benimmt sich wie ein Kindergarten. Oder als ob sie zu viel Haschküchlein gegessen hätte.

Musikalische Menschenfresserei

Das ist nicht der einzige Irrtum rund um Jacques Offenbach und seine Werke. Gerne spricht man von ihm auch als von «dem Erfinder der Operette». Wahr ist, dass er den Begriff verwendet, weil er damit sagen will, dass es sich um ein kurzes, einaktiges Werk handle. «Operette» also als Verkleinerungsform der Oper.

Ansonsten ist er erfinderisch, was seine Gattungsbezeichnungen betrifft: Mal ist es eine «Bouffonnerie musicale», eine «Opéra-bouffe», eine «Opéra-bouffe-féerie» oder dann gar eine «Anthropophagie musicale» (musikalische Menschenfresserei).

Ein Porträt eines Mannes in Schwarzweiss. Er trägt Brille und Schnauz.
Legende: Jacques Offenbach war klein und schmächtig und trug auffallende, massgeschneiderte Kleidung. wikimedia/Félix Nadar

Damit will Offenbach der damals grassierenden «Grand Opéra» mit ihren historischen Stoffen, dem Pomp und ernstem Gehabe etwas Leichtes entgegensetzen. Etwas, das ursprünglich und wahr ist, «primitif et vrai» wie er selber sagt, und das die Menschen intelligent unterhält.

Könige als Dummköpfe

Zusammen mit seinen Librettisten, die nicht nur leicht mit ihm haben (er kann auch ganz schön tyrannisch sein), findet er seine Stoffe im Alltag, in der Politik.

Am Hof zum Beispiel, bei Napoléon III, beim Militär, in der Kirche – dort, wo sich die Macht ballt und eigennützig über andere Menschen entscheidet.

Offenbach dreht diese Verhältnisse um, macht aus Generälen, Polizeipräsidenten, Königen und Herzögen Dummköpfe und Witzfiguren, die am Ende ein jämmerliches Bild abgeben in ihrer Gier oder Geilheit.

Napoléon amüsiert sich

Aber auch die kleinen Leute, die Liebespaare, Handwerker und Fischverkäuferinnen kriegen ihr Fett weg, wenn sie nur ihr kleinbürgerliches Glück vor Augen haben.

Das Publikum liebte es, sich den Spiegel vorhalten zu lassen und gleichzeitig darüber zu lachen. Offenbachs Theater sind gut besucht, zeitweise verdient er richtig viel Geld. Selbst Kaiser Napoléon wie auch der preussische König mit seinem Ministerpräsidenten Bismarck sehen sich Vorstellungen an.

Geistreich bis zur Banalität

Ist es die Musik, die übermütig, hell und frisch, feurig und «geistreich bis zur Banalität» (Nietzsche über Offenbach) allesamt verzaubert? Oder ist es die schöne Hortense Schneider, Offenbachs geniale Allzweckwaffe, für die er zahlreiche Hauptrollen schreibt?

Eine sehr alte Fotografie einer Frau mit Blumen in den Haaren und Fächer.
Legende: Hortense Schneider trat in zahlreichen Stücken Offenbachs auf. Mary Evans Picture Library

Wer ist er, dieser Jacques, der als Jakob 14-jährig mit seinem Cello aus Köln nach Paris kommt? «Er hatte mehrere Gesichter, war Deutscher von Geburt, aber Franzose im Herzen, aus einer jüdischen Familie, aber der Liebe wegen katholisch getauft», schildert ihn der Offenbach-Forscher und -Kenner Jean-Christophe Keck.

«Er war klein und schmächtig und trug auffallende, massgeschneiderte Kleidung, Zwicker und Zigarre waren seine Merkmale», sagt Keck. Ständig sei er am Arbeiten gewesen – und mit schönen Frauen unterwegs.

«Aber seine Familie und seine Frau Herminia waren ihm das wichtigste», so der Musikwissenschaftler. In allem habe es bei Offenbach immer mehrere Schichten. Auch in seiner Musik.

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