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Konzert im Hallenstadion Intensiv und kontrastreich: So war Kendrick Lamar in Zürich

Der Rapper begeistert in Zürich mit einer atemberaubenden Show. Kendrick Lamar lässt Fans ausrasten und findet dennoch Raum für intime Momente.

Es war nicht nur einfach eine fette Hip-Hop-Show, die Kendrick Lamar im Zürcher Hallenstadion ablieferte und bei der hartgesottene Hip-Hop-Fans zeitweise völlig ausrasteten. Es gab auch viele melancholische Momente, poetische Bühnenbilder, philosophische Gedanken und intellektuelle Anstösse, die Kendrick Lamar in seinem Konzert unterbrachte.

Die Dichte und Vielzahl an Kontrasten war dennoch fassbar, nicht zuletzt auch dank ausgiebigen Ruhemomenten zwischen den Stücken.

Facettenreicher Performer

Kendrick Lamar legt auf seiner aktuellen «Mr. Morale & The Big Steppers»-Tour eine Solo-Performance hin. Kein DJ und keine Band stehen auf der Bühne – nur ein Dutzend Tänzerinnen und Tänzer, die punktuell auf die Bühne treten und zwei Gäste, die kurz vor Ende noch dazustossen.

Ein Mann auf einer rot erleuchteten Bühne
Legende: Ein Mann, tausende Smartphones: Kendrick Lamar während seiner Solo-Performance im Zürcher Hallenstadion. Dominik Siegmann

So bleibt der Fokus voll und ganz auf Lamar, der in seiner Performance nicht die gängigen Hip-Hop-Klischees bedient.

Outfits, Gesten und Tanzstil sind individuell und verleiten zum genauen Beobachten. Aus sanften und grossen Bewegungen und Rotationen wechselt Lamar blitzschnell in eine impulsive und teils auch bizarr wirkende Körpersprache.

Klar und komplex

Das präzise Rhythmusgefühl, die Geschwindigkeit der Reime und die stimmliche Präsenz des Rappers sind atemberaubend. Seine Artikulation ist messerscharf, sodass man Kendrick Lamar trotz dröhnender Stadion-Akustik gut versteht.

Diese Klarheit wird auch durch die Beats begünstigt, in die Lamars Stimme natürlich eingebettet wird. Die Instrumentals sind druckvoll, klanglich reich und musikalisch interessant. Trotzdem unterstützen sie Kendrick Lamars Raps und lassen sie glänzen wie eine aufgesetzte Krone.

Mit literarischem Feingefühl

Beginnt man sich intensiv mit Kendrick Lamars Texten auseinanderzusetzen, erkennt man den wahren Wert seines Schaffens. Viele seiner Alben und Projekte haben übergeordnete Themen, die viel mit Gesellschafts- und Rassismusproblemen in den USA zusammenhängen.

Lamars aktuelles Album «Mr. Morale & The Big Steppers» beschreibt auch den langen Weg, wie er dank einer Psychotherapie aus einer persönlichen Krise findet und lernt, mit frühen Traumata umzugehen.

Auf einer Bühne steht ein Mann in einem quadratischen Glaskasten.
Legende: Hip-Hop-Show mit intimen Momenten: Kendrick Lamar sorgte in Zürich für ergreifende Momente. Noah Schuler

Die wenigsten Rapperinnen und Rapper gewähren so tiefe Einblicke. Das hat zum einen Imagegründe, zum anderen erfordert dies viel literarisches Feingefühl. Pulitzer-Preisträger Kendrick Lamar hat dieses Feingefühl – zudem eine entwaffnende Art, seine Schwächen in Stärken zu verwandeln.

Die Botschaft kommt an

Ist man im Englischen nicht zu Hause und kennt man die kulturellen und sozialen Hintergründe nicht, dann erfordert es viel Aufwand, um an Kendrick Lamars Inhalten anzudocken. Die dichten und vertrackten Texte sind gespickt mit Slangwörtern und kulturellen Codes, die Uneingeweihten viel Recherche abverlangen.

Die Tatsache, dass beim Livekonzert im Zürcher Hallenstadion viele im Publikum die Texte auswendig kannten, lässt aber darauf schliessen, dass die Botschaft ankommt.

Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 26.10.2022, 6:54 Uhr.

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