SRF: Kurt Wagner, Ihre Band hat sich über die Jahrzehnte hinweg stets weiterentwickelt. Das neue, dreizehnte Album klingt nach «Lambchop», ist aber stark von elektronischer Musik geprägt. Woher dieser Einfluss?
Kurt Wagner: Ich war schon immer an Dingen interessiert, die ich noch nicht ausprobiert habe. Ich entdecke neue Musik von andern Leuten und überlege mir, wie funktioniert das, was davon könnte ich bei meiner Musik anwenden. Das ist ein Teil.
Es gibt so viele elektronische Möglichkeiten!
Der andere ist die Musik, die meine Frau gerne anhört. Das sind mehr Mainstream-Sachen. Wir sind seit mehr als 20 Jahren zusammen. Ich höre mir das natürlich auch an und ich habe dabei bemerkt, dass bei immer mehr Aufnahmen Gesangsstimmen elektronisch bearbeitet werden.
Da dachte ich, meine Frau würde es auch mögen, wenn ich meine Stimme verfremde. Irrtum! Sie mag meine natürliche Stimme viel mehr!
Eines der Ziele haben Sie also verfehlt. Dennoch: die Stimme ist bearbeitet, manchmal bis zur Unkenntlichkeit, bis sie beinahe klingt wie ein Instrument. War das die Absicht?
Ja, das war gewollt. Mir schien meine Stimme bei unseren bisherigen Aufnahmen über dem Rest der Musik zu thronen. Ich wollte einen Weg finden, wie sich die Stimme natürlicher in das gesamte Klangbild der Band einpasst.
Für mich war die Herausforderung, eine ausdrucksstarke und neue Art zu finden, wie ich die Elektronik einsetzen wollte. Es sollte ja nicht bloss eine elektronische Verzierung werden.
War das ein langer Prozess?
Insgesamt haben wir vier Jahre gebraucht, auch, weil ich mich in die Materie einarbeiten musste.
Es gibt so viele elektronische Möglichkeiten! So habe ich auch die Songs geschrieben. Ich habe meine Instrumente zur Seite gestellt und nur mit den Rhythmen und Sounds aus dem Computer gearbeitet.
Man sollte nicht über alles berichten, was Donald Trump an dummem Zeug sagt.
Und wie fanden das die andern Musiker von Lambchop?
Sie fanden, diese Demos klängen recht fertig, was sie denn dazu spielen sollten? Ich wollte von ihnen, dass sie darauf reagieren und sich selbst bleiben. Das haben sie getan und es ist – finde ich – toll herausgekommen.
Z um Titel des Albums. «Flotus» steht entweder für «First Lady of the United States» oder für «For love often turns us still» (Weil die Liebe uns oft ruhig macht). Welche Definition wählen Sie?
Diejenige mit der Liebe, denn Sie macht uns wirklich still. Es passiert jetzt im Moment, in den USA und auf der ganzen Welt. Das entdecken die Leute gerade, dass die Liebe eine starke Motivation ist, viel stärker als diese Idiotie, die uns auseinanderbringen will.
Lambchop haben im Jahr 2000 eine CD namens «Nixon» gemacht. Ich entnehme Ihren Worten, dass sie nie eine namens «Trump» machen würden?
(Lacht) Das wär' mir zu eindeutig, zu offensichtlich! Aber ich verstehe die Frage schon, ist zurzeit ja unvermeidlich.
Ich finde, man sollte nicht über alles berichten, was Donald Trump an dummem Zeug sagt. Auch wenn ich weiss, dass die Medien dazu verpflichtet sind.
Während dieser Europa-Tournee passiert es zu jedem Soundcheck, dass die ersten verrückten Meldungen aus den USA zu uns auf die Handys kommen. Ich schaue jedes Mal drauf, auch wenn es fast nicht zu ertragen ist.
Allerdings spürt man deutlich, wie diese Ereignisse die Menschen zum Widerstand motivieren. Und das find' ich ermutigend!
Mit Kurt Wagner telefonierte Eric Facon.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Musikprogramm Vorabend, 3.2.2017, 16:00 Uhr