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Lernen von den Stars Eine Gesangsstunde bei Christina Aguilera

Kochen lernen von Gorden Ramsay oder Schauspiel-Unterricht bei Dustin Hoffman? Dafür braucht’s weder Vitamin B noch einen Lottogewinn. Masterclass.com bietet Video-Kurse mit über 20 US-amerikanischen Superstars an. Unsere Musikredaktorin probierte sich als Schülerin bei Christina Aguilera.

Die Besten lernen bei den Besten – das gilt eigentlich bei den herkömmlichen Meisterklassen. Meisterklassen sind besondere Lehrveranstaltungen an Hochschulen von renommierten Professorinnen und Professoren. Zugelassen werden nur die besten Bewerber – ausgewählt von einer Kommission. Ganz im Unterschied zur digitalen Masterclass: Hier darf jeder teilnehmen.

Digitale Meisterklasse

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Von Annie Leibovitz über Gordon Ramsay bis zu Marc Jacobs: «MasterClass» bietet Kurse bei Stars an. Hier geht's zur Website.

Demokratisierte Meisterklassen

David Rogier gründete die Webseite masterclass.com 2012 mit dem Ziel, das Prinzip der Meisterklasse zu demokratisieren. Bei den digitalen «MasterClasses» kann sich darum jeder für die Kurse einschreiben und der Crème de la Crème über die Schulter schauen.

Und das alles zum kleinen Preis. Kosten für einen kompletten Kurs Ihrer Wahl: 90 US-Dollar. Für Unterricht bei Christina Aguilera und Co. erstaunlich günstig.

Christina Aguilera begrüsst mich zum Unterricht

Und so nehme ich für einmal Gesangsstunden bei Christina Aguilera, einer Hochleistungssängerin – Maschine sozusagen. Gleich im ersten Video legt meine neue Mentorin die Messlatte ziemlich hoch. Sie sitzt neben dem Flügel und singt, was das Zeug hält: «Ain’t no other Man».

Diese Kiekser, dieses Röhren und Brechen in der Stimme, das kann also auch ich lernen. In etwa fünf Stunden und rund 20 Videos am Rechner. Dazu gibt's ein PDF-Workbook und ein Online-Forum, in dem ich mich mit den anderen im Kurs austauschen kann.

Nahe am Star

Los geht’s mit ein paar Basics. Ich bin überrascht, dass Christina Aguilera viele Dinge sagt, die mir auch eine «gewöhnliche» Gesangslehrerin predigen würde: Schütze deine Stimme, wärme dich richtig auf.

Aguilera versucht mir die Angst vor hohen Tönen zu nehmen und plaudert aus dem Nähkästchen. Sie erzählt mir ihre Geschichte, was sie inspiriert und wie Hut und roter Lippenstift zu ihren Markenzeichen wurden. Ich lerne, wie die Sängerin arbeitet, dass sie seit ihrem ersten Album dieselbe Stimmaufwärmkassette benutzt.

Und ich komme dem Menschen hinter der durchgestylten Popsternchen-Fassade ziemlich nahe, sehe Aguilera im Schlabberlook einsingen: die Haare nicht gekämmt, ungeschminkt.

Keine Pädagogin, sondern Künstlerin

Ich lerne aber auch, dass Christina Aguilera keine Gesangslehrerin ist. Es findet keine Interaktion statt. Sie kann mich nicht beobachten beim Singen, kann kein Feedback geben. Hintergründe zu Musiktheorie, Gesangstechnik oder Erklärungen zur Anatomie der Stimme gibt’s nicht in ihrer Meisterklasse.

Und wenn sich Christina Aguilera mit hauchender, dünner Stimme und viel zu viel Luft einsingt: Bitte nicht nachmachen, technisch gesehen ist das nicht gut für die Stimmbänder. Gerade Anfängerinnen und Anfänger könnten sich so falsche Dinge angewöhnen.

Das Feeling muss stimmen

Aguileras Klasse richtet sich aus diesem Grund eher an Fortgeschrittene. Die Sängerin pfeift auf Technik und setzt dagegen ganz auf Ausdruck und die Arbeit übers Ohr. Sie ermutigt zur Imperfektion. Wenn einem die Stimme mal versagt und ein Ton nicht kommt – ganz egal: So lange das Feeling dahinter stimmt.

Dieser Aspekt wird heute in der klassischen Ausbildung oft vernachlässigt, wenn die Studierenden nur über den technischen Weg arbeiten. Es geht viel weniger ums Hören und Nachmachen. Aguileras «MasterClass» kann darum auch eine Bereicherung sein. Die «MasterClass» als Gesangsstunde? Eher nicht. Ich bin heute genauso wenig ein Popstar mit Röhre wie vorher. Aber in Kombination mit analogen Gesangsstunden könnten die «MasterClasses» die Kirsche auf der Torte sein.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 04.01.2018, 09.00 Uhr.

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