Ein allumfassendes Menschheitstheater und gleichzeitig ein Gesamtkunstwerk, welches alle Kunstformen und alle Sinne mit einbezieht – das war Stockhausens Ziel.
Mit «Licht – Die sieben Tage der Woche» schuf er ein Werk, das die grossen, zeitlosen Themen verhandelt, welche die Menschheit umtreiben: Geburt und Tod, Liebe und Leidenschaft, Verführung und Vereinigung, Streit und Zusammenarbeit, Schattenhaftes und Lichtes.
So vielfältig die Themen, so bunt und unterschiedlich sind denn auch die Opern und die einzelnen Szenen, die Stockhausen dafür komponiert hat. Das reicht von anrührenden Duetten über imposante Orchesterszenen, von Mädchen- und Engelschören bis zu Kampfszenen und dem berühmten Helikopter-Streichquartett.
Ebenso divers ist auch die Musik. «Licht» enthält viel elektronische Musik, es ist aber auch viel Kammermusikalisches dabei, Orchestrales, Serielles, Mikrotonales, Geräuschhaftes sowie Naturklänge – ein Universalitätsanspruch auch im Klanglichen.
Drei Tonfolgen als Basis
Die Basis des überbordenden Opernzyklus bilden drei Tonfolgen, quasi drei Leitmotive der drei Hauptpersonen Eva, Luzifer und Michael. Kaum zu glauben: Aus diesen wenigen Tönen leitete Stockhausen alle sieben Opern ab. Und zwar nicht nur die Musik, sondern auch die Farbgebung, die Gestik, die Choreographie und weitere Parameter der Aufführung.
Die Anweisungen sind sehr detailliert, die Regie-Ideen Stockhausens teils fantastisch: So schwebte ihm etwa in der Szene «Orchester-Finalisten» aus «Mittwoch» vor, dass die Musizierenden frei im Raum herumfliegen. Eine Idee, die eigentlich nur filmisch und mit «Special Effects» zu realisieren wäre.
Eines der grossen Vorbilder von Stockhausen war auch der Trickfilmzeichner und Filmproduzent Walt Disney. Wie Disney das Publikum in Traumwelten entführte und seine neuartigen Visionen furchtlos umsetzte, das inspirierte den Komponisten.
Mit Disney teilt er auch eine gesunde Portion Humor. Dies gerät in der Rezeption seiner Werke oft in den Hintergrund. Viele empfinden Stockhausen und seine Musik als sehr ernst und mystisch, dabei zeigt er sich immer wieder von seiner scherzhaften Seite – mit subtilem, ulkigem und kindlichem Humor.
Alle sieben Opern wurden einzeln bereits aufgeführt, «Licht» als vollständiger Zyklus hingegen nicht. Zu gross erschien der Aufwand. Nun aber hat das innovative Holland Festival in Amsterdam gemeinsam mit der Niederländischen Oper und dem Königlichen Konservatorium Den Haag diese Herkulesaufgabe angepackt und sich mutig zumindest mal die Hälfte des Zyklus’ vorgenommen.
Auf höchstem Niveau
An drei Tagen waren ausgewählte Szenen aus «Licht» im Amsterdamer Gashouder zu erleben. Ein Best-of-«Licht» quasi, ein Mega-Projekt: Von den ersten Meetings bis zur Premiere vergingen vier Jahre, etwa 600 Mitarbeitende waren insgesamt involviert und auf der Bühne standen rund 400 Darstellerinnen und Darsteller
Das Experiment ist geglückt, die Aufführungen waren technisch wie interpretatorisch auf höchstem Niveau, und die Produktion wurde vom Publikum enthusiastisch gefeiert.
Eine solide Basis für eine Gesamtaufführung von «Licht» ist somit gelegt, auch wenn die Erarbeitung der restlichen Szenen wohl einige weitere Jahre in Anspruch nehmen würde.