Nur eine stark befahrene Strasse trennt das «Café de l’Écluse» in der Pariser Innenstadt von der Seine. Es hat etwa die Grösse eines Wohnzimmers. Holztäfer schmückt die Wände.
Heute ist das «Café de l’Écluse» eine Weinbar, wie es in Paris viele gibt. Von den 1950er- bis in die 1970er-Jahre war es ein angesagtes Cabaret. Jacques Brel, Barbara und andere Stars des «Chanson française» lancierten dort ihre Karriere.
Das ist der Grund, warum Mario Pacchioli mich im «Écluse» treffen will. Sein aktuelles Projekt ist ein Musik-Theaterstück über Brel und Barbara.
Pacchioli, der Chansonnier
Der 38-jährige Musiker sitzt auf einem Barhocker, nur zwei Meter von der kleinen Bar entfernt. Als das «Écluse» noch ein Cabaret war, befand sich dort die Bühne, nur zwei Meter breit und einen Meter tief.
80 Leute zwängten sich zu jener Zeit in die «Écluse», um den Chansons von Barbara, Jacques Brel und den anderen zu lauschen.
Pacchioli, dessen Musikschaffen der letzten Jahre in der Chanson-Tradition steht, kommt ins Schwärmen, wenn er von jener Zeit in Paris erzählt.
Er hat sie selber nicht erlebt, aber im Gespräch wird seine Faszination für diese Blütezeit des Chansons spürbar, als an jeder Ecke der Stadt ein Cabaret stand.
Imitation vs. Interpretation
In diese Zeit reist Mario Pacchioli in seinem Musik-Theaterstück über Jacques Brel und Barbara zurück.
Mit seinem Partner Laurent Brunetti streitet er sich auf der Bühne darüber, wie man den beiden Chanson-Stars besser gerecht wird: Indem man sie so exakt wie möglich nachahmt, oder indem man die eigene, persönliche Perspektive in die Interpretation einfliessen lässt? Ausgang des Streits: offen.
In Paris hängengeblieben
Seine Karriere hat Mario Pacchioli nicht, wie Brel und Barbara, in einem Cabaret lanciert, sondern in der Casting-Show «Music Star» im Schweizer Fernsehen. In der ersten «Music Star»-Staffel 2004 wurde er Zweiter hinter Carmen Fenk.
Rückblickend sagt Pacchioli, er bereue seine Teilnahme bei «Music Star» nicht. Er habe gewusst, dass der mediale Rummel schnell wieder vorbei sein werde, aber die Show habe ihn einem breiten Publikum bekannt gemacht.
Fünf Jahre nach der Show kam er nach Paris, wo er nun seit zehn Jahren lebt. Eigentlich hatte er hier nur eine Theaterschule absolvieren wollen. Aber er sei hängengeblieben, sagt Pacchioli – hängengeblieben an der Musik. Es gefalle ihm immer noch in der Hauptstadt des Chansons.
Einmal Rätoromane, immer Rätoromane
Die Heimat seiner Kindheit, die Bündner Surselva, hat Mario Pacchioli aber nicht vergessen. Mit der Landschaft und vor allem mit der rätoromanischen Sprache ist er immer noch stark verbunden.
Schon seit seiner Jugend wollte er rätoromanische Gedichte vertonen, die seine Kindheit begleitet hatten. 2017 wurde das Projekt schliesslich Realität: Es entstand das Liederbuch «Remas» (Reime).
In den Liedern, die er mit einem Symphonie-Orchester aufgenommen hat, hört man Pacchiolis Leidenschaft für das «Chanson française». Eine sehr stimmige Kombination aus alter und neuer Heimat.