Mathias Rüegg als eitlen Menschen zu bezeichnen ist eher Kompliment als Beleidigung. Denn der Mann hat Stil: Grossgewachsen, schlank, die langen Haare zu einem Schwanz gebunden, immer im Anzug und exklusivem Schuhwerk (sein Schuhschrank ist legendär!), ist er eine beeindruckende Erscheinung.
Auch seine lakonische Art der Bühnenpräsentation, die kleinen Gesten und wenigen Worte, mit denen er sein Orchester durch die Partituren lotste, wirkte immer nobel. Und seinem Vorbild Duke Ellington sehr nahe.
Orchester per Zufall
Dabei war das Vienna Art Orchestra beileibe nicht von Anfang an die geschliffene Soundmaschine, als die es sich in späten Jahren präsentierte. Das Orchester, so will es die Legende, geht auf einen Auftritt Mathias Rüeggs im Jahr 1977 zurück.
Er hätte allein spielen sollen, wollte das aber nicht. Und so telefonierte er Freunde herbei. Am Schluss sollen es 15 Leute gewesen sein, die auf der Bühne standen und das Publikum mit einem anarchistischen Spektakel unterhielten. Weil es so lustvoll und schön war, ist man eben zusammengeblieben.
Erst allerdings, als Mathias Rüegg die Zügel in die Hand nahm, wurde aus dem Sauhaufen ein Orchester. Der Aufstieg ging dann schnell. Schon ein paar Jahre später gastierte das Vienna Art Orchestra auf internationalen Bühnen, und es war die Sensation an vielen Festivals.
Eine symbiotische Verbindung
Geboren wurde Rüegg in Zürich. Er besuchte das Gymnasium in Schiers. Als er mit 20 in die Rekrutenschule hätte einrücken sollen, zog er es vor, abzuhauen. Er ging nach Graz, um Jazz zu studieren und landete schliesslich in Wien, wo er seit vierzig Jahren lebt.
Das Vienna Art Orchestra und Mathias Rüegg, das war eine symbiotische Verbindung. Rüegg war mehr als nur Orchesterleiter. Er komponierte und arrangiert die Musik, organisierte die Tourneen, war Intendant, Bürogehilfe und Tourmanager. Die Musiker, die dabei waren – immer die besten ihres Fachs – schwärmen noch heute von den Arbeitsbedingungen im Vienna Art Orchestra.
Gratis war das allerdings nicht zu haben. Das Orchester wurde von öffentlichen Hand subventioniert, diverse Sponsoren halfen mit. 2010 war trotzdem Schluss. Im Zug der Finanzkrise hatten Veranstalter und die Subventionsgeber weniger Geld, und vielleicht hatte man das Orchester auch schon zu oft gesehen. Der Hauptsponsor kündigte den Vertrag und alles brach zusammen.
Die letzte Chance
Mathias Rüegg machte die schwierigste Zeit seines Lebens durch. Er rappelte sich wieder auf, dank einer jungen Sängerin, die mit ihm arbeiten wollte: Lia Pale. «Für sie war es die erste Chance und für mich die letzte», sagt Rüegg.
Die beiden spezialisieren sich auf romantische Lieder, die sie für sich bearbeiten. Das Gespann Lia Pale-Mathias Rüegg hat eben sein drittes Album veröffentlicht, «The Schumann Songbook».
Alles ist jetzt ein wenig kleiner, die Band, die Konzertsäle und auch die Tourneen. Und in den Medien ist Mathias Rüegg nicht mehr der Star, der er war. Mit 65 Jahren allerdings besinnt man sich gern auf das, was man am liebsten tut. Bei Mathias Rüegg ist es das tiefe Eintauchen in die Musik.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Passage, 8.12.2017, 20.00 Uhr