Das Musical ist eine Form des zeitgenössischen Musiktheaters und fällt damit in den Kulturauftrag des Opernhauses Zürichs. Das findet Andreas Homoki, der Intendant des Opernhauses.
Er bringt nun gleich selbst als Regisseur ein Musical auf die Opernbühne: «Sweeney Todd» von Stephen Sondheim.
1979 wurde dieses Musical am Broadway uraufgeführt. Es folgten etliche Preise und weltweit zahlreiche Aufführungen – auch in Opernhäusern.
Musical ist keine Oper
Die Partitur von «Sweeney Todd» lässt sich auch mit grossem Orchester umsetzten. Die meisten Rollen nähern sich musikalisch Operettenpartien an.
Doch die Anforderungen an den Gesang sind beim Musical andere als bei einer Oper. Diese Zürcher Musical-Produktion ist musikalisch schwerfälliger als manche klein besetzte Musical-Truppe.
Dabei stehen – wie so oft in Zürich – die Besten ihres Fachs auf der Bühne. Bryn Terfel etwa spielt den Sweeney Todd, einen frustrierten Barbier, der aus Rache für sein verkorkstes Leben etliche Männer umbringt.
Terfel ist für die Klangfarben seines Baritons berühmt. Gerade die gehen aber durch die Musical-typische elektronische Verstärkung verloren.
Was der Geschichte fehlt
Virtuoser geht hingegen Opernstar Angelika Kirchschlager mit dem Mikrofon um: Sie spielt Sweeney Todds Komplizin Mrs. Lovett, die seine Mordopfer zu Fleischpastete verarbeitet – und damit im hungrigen London ein riesiges Geschäft macht.
Kirchschlager schafft es, ihre Stimme dreckig, rauh und säuselnd verführerisch klingen zu lassen, und mit rasendem Tempo von ihren düsteren Plänen zu plappern.
Alles spielt sich auf einer Bühne mit drei bewegliche Ebenen ab, in denen unten die Bettler und Ratten hausen, oben die Oberschicht und in der Mitte der mordende Barbier Sweeney Todd.
Das ist sehr ästhetisch gemacht. Regisseur Homoki führt seine Figuren witzig durchs Geschehen – aber es fehlt etwas: das Gruseln, das Grauen dieses Horror-Barbiers, die für das Musical so typischen technischen Effekte.
Alles ist verständnisvoll inszeniert, sodass Mitleid erzeugt wird. Mitleid für einen Massenmörder.
Kritik und Ohrwürmer
Was bleibt von diesem Musical-Abend: Ein paar Ohrwürmer, ein paar Seitenhiebe auf den Kapitalismus und die Hoffnung, dass ein Musical die Hemmschwelle des Opernhauses etwas senkt und neues Publikum erschliesst.
Doch den musikalischen Tiefgang und die Brisanz manch zeitgenössischer Oper, die erreicht dieses Musical nicht.