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Porträt einer schwarzhaarigen, stark geschminkten Frau, die im Hintergrund in einem Spiegel gespiegelt wird.
Legende: Eine Blitzkarriere mit zahlreichen Höhenflügen und Abstürzen: Amy Winehouse verstarb am 23. Juli 2011. Keystone

Musik Amy Winehouse: tragische Geschichte einer einzigartigen Stimme

Am eigenen Ruhm zerbrochen: Der Aufstieg als Sängerin bedeutete für Amy Winehouse gleichzeitig den Fall in die Welt von Alkohol und harten Drogen. Ein Dokumentarfilm zeigt die Umstände, die der Sängerin zum Verhängnis wurden – und letztlich zu ihrem frühen Tod führten.

Belgrad 2011. Es ist der Auftakt ihrer Europatournee und hätte Tausende von Zuschauern begeistern sollen: Doch Amy Winehouse ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Stockbetrunken torkelt sie auf der Bühne zwischen den Musikern hin und her. Die 27-Jährige ist abgemagert, wirkt ausgezehrt. Mit verschränkten Armen wankt Winehouse zum Mikrofon und blickt leer durch die Menge hindurch. Ihre Stimme, die einst so kraftvoll und aussergewöhnlich war, ist nur noch kläglich. Das Publikum pfeift und buht die Sängerin aus.

Die Weisse mit der Stimme einer Schwarzen steht schwerfällig auf der Bühne – und gleichzeitig an ihrem persönlichen Abgrund. Einen guten Monat später wird Winehouse von ihrem Bodyguard tot in ihrer Wohnung in London aufgefunden. Mit über vier Promille Alkohol im Blut war ihr Körper kollabiert.

Willensstark, aber fragil

Ammy Winehouse als 16-Jährige
Legende: Die 16-jährige Amy Winehouse am Beginn ihrer Karriere. SRF/ARD/Bill Ashton

Doch was waren die Ereignisse, die den einst so zielstrebigen Menschen zerbrechen liessen? Weshalb konnte Amy Winehouse, obwohl sie sah, wie ihr der Ruhm über den Kopf wuchs, ihr Schicksal nicht aufhalten? Der Essener Regisseur Andreas Kanonenberg ist dieser Frage nachgegangen.

Eltern, Freunde und Kenner der Musikszene protokollieren in Interviews chronologisch das Leben der Sängerin. Dabei entsteht das Bild einer jungen Frau, die von Anfang an selbstbewusst und willensstark auftrat, im Innern aber äusserst zerbrechlich war.

Die nächste Ella Fitzgerald?

Als Tochter eines jüdischen Taxifahrers und einer Apothekerin wächst Amy Winehouse in Southgate auf, einem Vorort von London. Ihr schulischer Werdegang verläuft alles andere als gradlinig. Sie langweilt sich in der Schule und rebelliert. Als sie mit zwölf Jahren an die renommierte Sylvia Young Theater School aufgenommen wird, ist sie überglücklich. Young erinnert sich: «Sie hatte eine so reife und wunderbare Stimme. Ich dachte, das wird die nächste Judy Garland oder Ella Fitzgerald».

Winehouse geniesst die Auftritte auf der Bühne und will einfach nur singen. Die anderen Fächer interessieren sie aber auch hier nicht. So geht sie von einer Schule zur anderen – bis sie auf ihren Manager Nick Godwyn trifft und sich fortan ganz auf die Musik konzentriert.

Ehrlich und «herrlich seltsam»

Amy Winehouse singt von dem, was sie selber erlebt hat. «Ich nehme alles nicht so schwer, mache mich darüber lustig und setze eine Pointe», sagt Winehouse. Ihr erstes Album «Frank» wird als ehrlich, authentisch und «herrlich seltsam» gelobt.

Doch mit zunehmendem Erfolg fühlt sie sich unwohl auf der Bühne. Bei Konzerten vor grossem Publikum verspürt sie Angst. Immer häufiger streift sie nach den Auftritten durch Clubs und Bars und ertränkt den Erfolgsdruck im Alkohol.

Herbe Schicksalsschläge

Auf einer dieser Kneipentouren lernt sie den heroin- und kokainabhängigen Blake Fielder-Civil kennen und ist ihm auf Anhieb komplett verfallen. Mit ihrem neuen Freund häufen sich die Drogen- und Alkoholexzesse. Als er sie verlässt, stürzt sich Winehouse in einen Dauerrausch. 2006 wird sie dann vollständig aus der Bahn geworfen, als ihre geliebte Grossmutter Cynthia stirbt.

Den Schmerz schreibt sie sich wie besessen von der Seele und verfasst in einer Woche fünf Songs. In gerade mal zwei Stunden entsteht das Lied «Rehab», welches vom erfolglosen Versuch ihres Vaters und ihres Managers handelt, sie in eine Entzugsklinik zu stecken. Das Album «Back to Black» bringt Winehouse fünf Grammys ein und macht sie weltberühmt.

Die Spannung des Dokumentarfilms basiert auf diesem umgekehrt proportionalen Verlauf von persönlicher Entwicklung und beruflichem Erfolg. Ironischerweise ist der Erfolg von Amy Winehouse stark an ihren Untergang geknüpft: Die Liedtexte, die sich aus ihren Schicksalsschlägen speisen, bringen ihr Weltruhm ein – mit dem sie wiederum nicht zurechtkommt.

«Sie konnte die Songs zum Leben erwecken wie keine andere», sagt Dan Cairns, Musikjournalist der London Sunday Times. «Aber sie war unfähig, ihr eigenes Leben zu leben.»

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