Ein Film über Andreas Vollenweider? «Ist das nicht dieser Mann mit dem Wuschelhaar, der Harfe und dem verzückten Blick, wenn er spielt?», dachte ich, als ich dafür angefragt worden bin. Ich war skeptisch. Bevor ich mich entschieden habe, einen Film über ihn zu realisieren, habe ich mir ausbedungen, ihn persönlich kennenzulernen.
In Südafrika kennt ihn fast jeder
Im ersten Gespräch ist klargeworden: Vollenweider hat Humor und ist direkt. Das hat mir gefallen. Zudem stellte sich heraus, dass er in Südafrika seit den 80er-Jahren ein Star ist. Ich als Südafrika-Korrespondentin habe das nicht gewusst. Meine Neugier war geweckt.
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Kurz darauf buchte ich bei meinem lokalen Coiffeursalon eine Rückenmassage. Kaum schloss ich die Augen, ertönte ein Sound, der mich sofort weckte. War das nicht Vollenweider? Die schwarze Masseuse strahlte, als ich sie darauf angesprochen habe. Ja, natürlich sei das Vollenweider. Sie habe sämtliche Alben von ihm. Er sei ihr Held.
Der «Township-Test»
Einige Wochen später. Andreas Vollenweider kam für ein Jazz-Festival nach Johannesburg. Mich interessierte, wie sehr er wirklich ein Star in Südafrika ist, und bat ihn, nicht nur seine grosse Konzertharfe mitzubringen, sondern auch die kleine, mobile. Ich fragte ihn, ob er bereit sei, in einer Township an einem Sonntagnachmittag zu spielen. Unangekündigt und ohne Begleitung. «Gerne, super Idee», antwortete er, ohne gross auf mögliche Gefahren zu verweisen. Mit einem kleinen Lautsprecher und der Harfe fuhren wir in eine Township in der Nähe von Südafrikas Hauptstadt Pretoria.
Es war ein sonniger Sonntagnachmittag. Wir positionierten uns vor einer Imbissbude, die aus einigen Holztischen und Plastikstühlen bestand. Vollenweider nahm auf einem der Stühle Platz, stimmte die Harfe und begann zu spielen. Die Menschen, die sich langsam um ihn versammelten, begriffen anfangs nicht richtig, wen sie da vor sich hatten. Einige zeigten auf die Harfe und tuschelten untereinander.
Vollenweider trifft Südafrika mitten ins Herz
Ein alter Mann löste sich aus der Menge und näherte sich Vollenweider, mit vor Unglauben geweiteten Augen. «Vo-Vo-Vollenweider?», stammelte er und ahmte Vollenweiders Harfenspiel mit zittrigen Fingern nach. Andreas Vollenweider erhob sich und schüttelte seine Hand. «Ja, das bin ich. Wie geht es?», erwiderte er.
Der alte Mann konnte nicht fassen, dass er sein Idol einfach auf einem belebten Platz in seinem Township antreffen würde. Und er war nicht der Einzige. Immer mehr Frauen und Männer erkannten Andreas Vollenweider, obwohl sie ihn nie live erlebt haben. Sie baten um Autogramme und erzählten, wie wichtig seine Musik vor allem während der Jahre der Apartheid gewesen sei.
Diesem Auftritt folgten weitere, in anderen Townships und sogar im grössten Gefängnis von Südafrika. Vollenweider blühte bei diesen Impromptu-Auftritten geradezu auf. Je spontaner und näher bei den Menschen, umso besser. Er kennt absolut keine Berührungsängste, lässt sich auf alle ein und schüttelt auch Schwerverbrechern die Hand.
Letztlich geht es ihm immer darum, mit seiner Musik etwas auszulösen. Er will das Innerste der Menschen berühren. Er glaubt felsenfest an die Macht der Musik - seiner Musik.
Was immer man davon halten mag – ich habe diese Macht selbst beobachtet. Vor allem hier, in Südafrika. Wer Frauen und Männer mit Tränen in den Augen sieht, während er Harfe spielt, der wird selbst von seiner Musik verzaubert, auch wenn man, wie ich, ursprünglich gar kein Fan seiner Musik gewesen ist.