Kraftvoll, gross und dabei hell, voller Farben: So erhebt sich der Sound von Andy Scherrers Tenorsaxophon über das «Warm Valley», eine balladeske Big Band-Nummer des Vienna Art Orchestra. Es tönt, als ob die ganze Big Band dem Saxophonisten folgen würde und nicht umgekehrt.
Natürlich sind die Töne für die Big Band alle aufgeschrieben, aber Scherrer bettet sein Solo perfekt in die vorgegebenen Struktur ein.
In diesem Moment erschafft er die gesamte Musik. So spielen nur die ganz Grossen im Jazz. Andy Scherrer ist einer von ihnen.
Werbung in eigener Sache? Nein, danke.
Dabei hat er nicht einmal eine Homepage, wo er sein Können anpreisen oder auf nächste Konzerte verweisen würde. Auf Wikipedia, in Jazz-Lexika oder in einschlägigen Experten-Seiten findet man Scherrer, aber für sich selber Werbung machen? Das ist nichts für ihn.
Er hat es auch nicht nötig: Seine Musikalität, sein Sound war immer Werbung genug. Schon nach seinen ersten Auftritten in den 1960er-Jahren mit Bruno Spoerri, einem Saxophonkollegen und späteren Elektronikpionier, spätestens aber seit seinen Konzerten mit Magog, dem Schweizer Power-Sextett, war klar: Scherrer ist eine Ausnahmebegabung, ein herausragender Musiker.
Saxophonlehrer der Nation
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Es folgten Konzerte in allen möglichen Formationen, in Big Bands und auch kleineren Bands. Als ihm die noch junge und einzige Schweizer Jazz Schule, die Swiss Jazz School in Bern, den Posten als Saxophonlehrer anbot, begann Scherrer zusätzlich zu unterrichten. Er war noch keine dreissig Jahre alt.
Und so kam es, dass heute kaum ein namhafter Schweizer Saxophonist nicht von Andy Scherrer gelernt hätte. Oder von einem seiner Schüler. Scherrer ist nicht nur der vielleicht beste Saxophonist, den die Schweiz je hatte. Er ist auch der Saxophonlehrer der Nation.
Inspiration statt strikter Lehrplan
Dabei ist Unterrichten gar nicht sein Ding. Manchmal sei er vor dem Unterrichten so nervös, so Scherrer, wie vor einem Konzert, auch aus Angst, einem Schüler nicht das geben zu können, was dieser sich vorstellt.
Eine unbegründete Angst. Die meisten Schüler wollten in der Saxophonstunde ohnehin den begnadeten Musiker treffen, sich inspirieren und nicht von einem strikten Lehrplan leiten lassen.
So strahlt die musikalische Energie Scherrers noch heute. Durch seine unzähligen Schüler, die inzwischen selber die Jazzlandschaft prägen und seine aktuelle Zusammenarbeit mit Musikern, die alle seine Söhne sein könnten. Und es auf eine Art ja auch sind.