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Musik Anton Bruhin: ein Maler mit Maultrommel

Der 65-jährige Anton Bruhin, der sich als «Volkskünstler» bezeichnet, hat sich nie um Trends gekümmert. Er macht das, was ihm gefällt. Ob Computer Pixel-Bilder, Gedichte, die man vor- und rückwärts lesen kann – oder eben: maultrommeln. Für Letzteres erhielt er nun den Prix Meret Oppenheim.

Anton Bruhin erinnert sich gut an Zürich im Sommer 1968. Junge, aufmüpfige Jugendliche und Hippies treffen sich an der «Riviera». Auch er, der aus dem Kanton Schwyz kommt, ist dort. Er hört einen Klang, der ihn ein Leben lang begleiten wird: merkwürdig metallen, sirrend, wie ein Syntheziser. Ein englischer Strassenmusiker schenkt ihm eine Maultrommel. Er legt das kleine Instrument aus Stahl auf die Zähne und zupft die Metallzunge. Sofort kommt ein Ton, im Kopf vibriert es angenehm. Anton Bruhin ist fasziniert.

40 Jahre später ist Anton Bruhin längst ein Meister der Maultrommel. Er ist im Freejazz ebenso daheim wie in der Schweizer Volksmusik. Seit Jahren tritt er mit dem Max Lässer Überlandorchester auf. Bruhin zeigt, wie viel im «Trümpi» (wie die Maultrommel umgangssprachlich hiesst) steckt.

Die Maultrommel vertreibt die Sorgen

An Trümpis mangelt es Anton Bruhin nicht. Ein paar tausend Instrumente lagert er, fein säuberlich in Schachteln verpackt, in seinem Atelier. Ungarn, Sardinien, Indonesien, Russland, Ukraine, Japan – die Beschriftung der Schachteln verrät, dass es auf der ganzen Welt Trümpis gibt. Namen hat die Maultrommel viele: Mundharfe, Jew’s harp, Dombra. Die italienische Bezeichnung «Scacciapensieri» gefällt Bruhin am besten.

«Scacciapensieri heisst die Gedanken wegjagen, also die schlechten Gedanken und die Sorgen verscheuchen», erklärt Anton Burhin. «Genau das findet statt beim Maultrommelspiel. Die Vibration des Trümpi überträgt sich auf den Kopf, dazu kommt ein leichtes Hyperventilieren. Beides führt zu einem leichten Trance-Zustand.»

Allerdings: Das Trümpi ist lediglich eine von vielen künstlerischen Leidenschaften, die Anton Bruhin seit Jahrzehnten pflegt. Bruhin, der eine Schriftsetzerlehre begonnen und an der damaligen Kunstgewerbeschule in Zürich Kurse besucht hat, malt auch: breitformatige, farbige Stadtlandschaften. Am Computer entwirft er Pixel-Bilder.

Bruhin – der Buchstabenjongleur

Bruhins Palindrome, die Spiegelgedichte, wirken gewitzt. «Ein O-Ton, o Monotonie» oder «Sage du zu Degas» klingen wie heitere Spielereien eines Buchstabenjongleurs. Doch dahinter steckt nächte- und wochenlanges Tüfteln, damit die Kleinstgedichte vor- und rückwärts gelesen denselben Sinn ergeben.

Anton Bruhin, der Musiker, Maler, Zeichner und Lautpoet, hat einen ganz eigenen künstlerischen Kosmos erschaffen. Dass er nun vom Bundesamt für Kultur mit dem Prix Meret Oppenheim – und damit mit 40'000 Franken – ausgezeichnet wird, freut den kauzigen Künstler ganz offensichtlich.

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