Was für eine Rolle spielt die Musik in einem Videogame eigentlich? Klingende Illustration? Kulisse? Orientierung? Was auch immer es ist: Musikalischer Genuss scheint bei den Machern von klassischen Videogames nicht die erste Priorität gewesen zu sein. Die pfiffigen Dudelmelodien in «Super Mario» und «Pac-Man» haben vor allem ein grosses Potential: Nämlich jeden von uns in den Wahnsinn zu treiben.
Wider den tierischen Ernst
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Oder aber – anstatt sich zu nerven – begegnet man der Angelegenheit mit Humor und Kreativität und macht daraus «richtige» Musik. Zum Beispiel eine Art subversiven Jazz-Standard. Nach dem Motto: Keine Vorlage ist so schlecht, dass sich daraus nicht eine kleine Perle basteln liesse. Getan haben das Gerwin Eisenhauer und sein Quartett: Auf der aktuellen CD «Music from Videogames» finden sich Melodien aus «Tetris», «Doom», «Pokémon», «Pac-Man», «Super Mario» oder «The Legend of Zelda».
Original bleibt, Original entsteht neu
Wer jetzt denkt, dass Eisenhauer und seine Kollegen das heisse Eisen in Stücke hauen, liegt falsch. Die Melodien bleiben intakt und immer erkennbar. Geschraubt wird harmonisch, rhythmisch, klanglich und – ganz nach Jazz-Tradition – formal. Das heisst: Das Thema wird zuerst so vorgestellt wie es ist, dann aufgehübscht mit etwas raffinierteren Harmonien, und danach darf jeder mal darüber improvisieren. Am Schluss erweist man dem Original nochmals die Referenz und fertig ist der Track. Kein revolutionäres Konzept, aber eine liebevolle Auseinandersetzung mit einem lange ausgegrenzten Stück Kulturgeschichte.
Poetik, Pathos und Fantasie
Aus Videogame-Musik entstehen nicht nur witzig-quirlige Nummern, sondern auch durchaus poetische. Wie etwa das Schlafliedchen für Zelda: «Zelda's Lullaby». Auch eine Portion Pathos darf nicht fehlen, zu hören in «Doom 64», gebrochen durch Drum-and-Bass-Rhythmen. Oder – ein kleiner Höhepunkt des Albums – die Tetris-Adaption mit ihrem russischen Volkslied-Accelerando. Balinka lässt grüssen.
Eisenhauer boomt
Der Regensburger Schlagzeuger Gerwin Eisenhauer hat sich für das Projekt mit gleichgesinnten Musiker-Freunden umgeben, die kulturell ähnlich offen sind wie er: Walter Lang (der mit Eisenhauer auch im Trio ELF spielt) am Klavier, Uli Zrenner-Wolkenstein am Bass und Graeme Stephen an der Gitarre. Zusammen nennt sich das Quartett Booom und legt mit «Music from Videogames» sein Debüt-Album vor. Wir sind gespannt, was noch folgen wird. Einen Vorschlag hätten wir schon: Wie wär's mit den Radio-Signeten von SRF?