Der Eurovision Song Contest (ESC) ist eine leichte, wenn auch international aufwendige Unterhaltungsshow. Die Karlsmedaille würdigt nun den völkerverbindenden Charakter, der ein Teil des Ereignisses ist.
Der ESC fördere das «Wir-Gefühl» der Europäer, weil er neben der Musik die einzelnen Länder und ihre Bürger in den Fokus rücke, begründet die Jury die Vergabe. Das sei auch angesichts der Gefahr eines Auseinanderbrechens der Europäischen Union wichtig.
Gemeinsam gegeneinander?
Die Fans feiern dieses «Wir-Gefühl» vor Ort, an öffentlichen Übertragungen oder an Partys in der heimischen Stube. Der ESC ist jedoch ein Wettbewerb und spätestens bei der Punktvergabe zeigt sich: Es gibt ein «Wir» – ein «Wir gegen die anderen».
Denn es bilden sich gerne und oft Allianzen . Häufig stimmen skandinavische Länder für einander. Das gleiche Phänomen sieht man auch bei Ostblock- und anderen Staaten. Der integrative – und nun ausgezeichnete – Charakter des ESC erschliesst sich da nicht unbedingt.
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Europäisches Aserbaidschan
Irving Wolther, Kulturwissenschaftler und bekennender ESC-Fan, sieht bei dem internationalen Wettstreit, bei dem auch Länder wie San Marino teilnehmen, durchaus eine integrative Leistung: «Der Contest ruft den Zuschauern in Erinnerung, wie gross und vielfältig Europa ist.» Er zeige, dass sich zum Beispiel die Bevölkerung Aserbaidschans mehr europäisch als asiatisch fühle.
«Es ist auch für die Leute, die sich am Contest begegnen eine wichtige Erfahrung, gemeinsam an einer Show zu arbeiten und zu feieren. Das ist auch unter den Fans völkerverbindend», sagt Wolther. Die teilweise einseitige Punktvergabe erklärt er damit, dass sich die Nachbarländer jeweils kulturell und historisch nahestehen.
«Switzerland, zero points»
Die Schweiz – wenn sie es denn mal ins Final schafft – erhält traditionell wenig Punkte. Hat sie denn keine Freunde in Europa? «Die Schweiz hat zu wenig Mut sich selbst zu sein», diagnostiziert Wolther. Im Kontext des ESC brauche man ein wiedererkennbares Profil. Stromlinienförmige Beiträge würden nicht funktionieren. Die könnten auch aus jedem anderen Land stammen.
Der ESC ist ein europäisches TV-Grossereignis. Geschätzte 180 Millionen Zuschauer versammelt das Finale europaweit vor der Mattscheibe – Fahnenmeere, freudentaumelnde Fans und viel Kitsch ist Programm. Es ist ein stark idealisiertes Bild, das der ESC von Europa zeigt. Wolther stört das nicht: «Ein einiges Europa ist immer ein Ideal. Ideale sind dazu da angestrebt zu werden.»